Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Erlebte Menschlichkeit: Erinnerungen (Küngs Memoiren) (German Edition)

Erlebte Menschlichkeit: Erinnerungen (Küngs Memoiren) (German Edition)

Titel: Erlebte Menschlichkeit: Erinnerungen (Küngs Memoiren) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Küng
Vom Netzwerk:
angeblich fatale Wirkungsgeschichte so rasch wie möglich zu beenden ist. Aber wie? Durch römische Personal- und Lehramtspolitik: indem man weltweit über den Willen der Ortskirchen hinweg nur noch streng römisch gesinnte Bischöfe ernennt und sie mit dem unbedingten Gehorsamseid auf den Papst auf die Parteilinie einschwört. Und indem man gleichzeitig die Konzilstexte selektiv zu seinen Gunsten zitiert, wo nötig uminterpretiert und Gegenläufiges einfach übergeht. Indem man so gegen die großen Intentionen des Konzils sofort einen Prozess der Reklerikalisierung und Reromanisierung einleitet: ein Zurückbinden der Laien und besonders der Frauen, aber auch der Bischöfe.
    So können der im Konzil oft getadelte römische Zentralismus, Klerikalismus, Triumphalismus und Marianismus in alten und neuen Formen fröhliche Urständ feiern – jetzt auch noch mit Unterstützung von Printmedien und Fernsehen. Natürlich hat das Folgen für diejenigen, die mit diesem unzeitgemäßen Restaurationskurs nicht einverstanden sind und sich gegen diese vorgestrige römisch-zentralistische Wahrheitsidee und institutionelle Alleinvertretungspose stellen. Wie wird das alles weitergehen?
    Repression auf der ganzen Linie
    Wie schon im längst überwunden geglaubten Antimodernismus des 20. Jahrhunderts (1967 war der von Pius X. eingeführte Antimodernisteneid für alle Geistlichen von Paul VI. erfreulicherweise abgeschafft worden) werden erneut integralistische Parolen ausgegeben: »die integrale, unverkürzte Wahrheit des katholischen Glaubens«, »vollkommene Übereinstimmung mit der katholischen Hierarchie«, »Rückkehr zur alten Lehre und Disziplin« … Und solche Parolen finden auch bei konservativen Politikern und Publizisten selbst außerhalb der katholischen Kirche Zuspruch, wenngleich diese sich solch strenger Dogmatik, Moral und Disziplin persönlich zumeist nicht einmal im Traum zu unterwerfen gedenken. Solcher römische »Integralismus« mit all seinen Verdächtigungen und Verleumdungen, seinen Lügen und Zwangsmaßnahmen hat freilich wenig zu tun mit »Integrität«, die sich vom lateinischen »integer = unberührt« herleitet und unbescholten, unbestechlich, moralisch einwandfrei meint. Über vatikanische Finanzskandale und klerikale Sexskandale werden bald zahllose Publikationen erscheinen.
    Karol Wojtyła gilt schon als Erzbischof von Krakau als schlechter Administrator; er studiert ungern Akten und zieht – neben Schriftstellerei – öffentliches Auftreten und spektakuläre Reisen vor. Auch als Papst vernachlässigt er – nicht zuletzt oft zum geheimen Ärger des fleißigen neuen Präfekten der Glaubenskongregation, Joseph Ratzinger – das Aktenstudium. Doch während der Papst reist, regiert in Rom die Kurie. Und vor allem die Glaubenskongregation, das alte Sanctum Officium, in welchem die Spitzen der Kurie unter höchster Geheimhaltungsstufe allwöchentlich tagen: Ein restauratives Dokument ums andere – zur Regulierung von Doktrin, von Liturgie und von Moral und Disziplin – verlässt im Namen des Papstes den Vatikan. Dabei werden einige Kategorien von Katholiken besonders anvisiert.
    Die » aufrührerischen« Frauen insbesondere. Die Forderungen nach Frauenordination oder Diakoninnenweihe, Ordensschwestern ohne Ordenstracht, Mädchen als Ministrantinnen haben das Missfallen und die Ängste der zölibatären Eminenzen, Exzellenzen und ihrer Konsultoren (alles ausschließlich Männer) erregt und alte römische Vorurteile gegen Frauen (Eva seit je die Verführerin des Mannes!) bestätigt. Besonders gut gebildete und selbstbewusst auftretende (amerikanische) Ordensfrauen gehen dem Papst auf die Nerven.
    Dann die » rebellischen« Theologen . Viele werden offen, und noch mehr im Geheimen, gemaßregelt. Nicht verwunderlich, dass sich wieder Angst und Schweigen ausbreiten und nur noch Mutige protestieren. Priester, Ordensleute, Seminaristen, die zeitaufgeschlossenen Jesuiten besonders, werden zur Ordnung gerufen. Schon zu Beginn des Wojtyła-Pontifikats wird Pauls VI. liberale Dispenspraxis vom Zölibatsgesetz beendet; Wojtyła möchte vor allem den sich nach Frankreich und England absetzenden und dort heiratenden polnischen Priestern den Ausweg versperren. Ein allgemeiner Laisierungsstopp wird deshalb verhängt gegen Priester, die heiraten wollen. Wenn sie trotzdem heiraten, sind sie eo ipso (latae sententiae) exkommuniziert. Schlimmer als nichtlaisierten Klerikern ergeht es aber jenen Frauen und Kindern von

Weitere Kostenlose Bücher