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Erlebte Menschlichkeit: Erinnerungen (Küngs Memoiren) (German Edition)

Erlebte Menschlichkeit: Erinnerungen (Küngs Memoiren) (German Edition)

Titel: Erlebte Menschlichkeit: Erinnerungen (Küngs Memoiren) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Küng
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eine junge Frau die von gewitzten Programmmachern inszenierte und durchgepaukte gigantische Show durchbricht und gegen das Protokoll, das keine einzige Frage an den Papst gestattet, einige Fragen an ihn richtet.
    So spricht BARBARA ENGL als Vertreterin der katholischen Jugend: »Heiliger Vater, Sie haben in Ihrer Predigt schon viel von den Dingen gesprochen, die uns bewegen. Für Jugendliche ist aber die Kirche in der Bundesrepublik Deutschland oft schwer zu verstehen. Sie haben den Eindruck, dass sie ängstlich an den bestehenden Verhältnissen festhält, dass sie wieder mehr die Unterschiede zwischen den beiden großen Konfessionen betont, statt die Gemeinsamkeit herauszustellen, dass sie zu den Fragen der Jugendlichen zu Freundschaft, Sexualität und Partnerschaft zu sehr mit Verboten reagiert, dass ihr Suchen nach Verständnis und Gesprächsbereitschaft zu wenig Antwort findet. Viele können nicht verstehen, warum die Kirche trotz des Priestermangels so unumstößlich am Zölibat festhält. Eine Menge Jugendseelsorger fehlen uns heute, viele fragen, ob nicht eine stärkere Beteiligung der Frau am Kirchenrecht möglich ist.
    Wir gestehen dabei gerne ein, dass uns das Evangelium oft überfordert. Aber Ängstlichkeit und Kleinmut brauchen uns nicht zu bedrücken, da uns Christus Leben in Fülle, das Reich Gottes, verheißen hat. Um auf die vielen Fragen und Probleme in der Kirche, der Gesellschaft und der Welt eingehen zu können, brauchen die Jungen das Vertrauen der Kirche und der Amtsträger in der Kirche. Sie brauchen glaubwürdige Gesprächspartner und Menschen, die sie mit ihren Wünschen und Ängsten und Hoffnungen und mit ihrem Engagement ernst nehmen.
    Die Jugendlichen wünschen sich eine katholische, das heißt, eine weltumspannende, weite Kirche und sie sind bereit, daran mitzuwirken. Wir wünschen Ihnen, Heiliger Vater, jugendliche Kräfte für Ihre Arbeit in unserer gemeinsamen Kirche.« 3
    Nach Ansicht von Barbara Engl wird von ihr zum Ausdruck gebracht, was die gesamte deutsche katholische Jugend denkt: »Diese Probleme haben wir in der Hauptversammlung des Bundes der deutschen katholischen Jugend erörtert. Erst kürzlich ging es da um Freundschaft, Sex und Partnerschaft.« Doch meint sie weiter: »Mit einem Teil der Geistlichkeit ist es sehr schwierig, solche Dinge überhaupt zu besprechen. Aber es gibt Jugendseelsorger, die da ganz auf unserer Linie liegen.« Angemerkt sei, dass Barbara Engl, der ich einen Blumenstrauß schicke, anschließend sehr zu leiden hat wegen ihrer mutigen Aktion, die offensichtlich vom Erzbischof von München, Kardinal Joseph Ratzinger, approbiert worden war, was dieser aber anschließend bestreitet. Wichtiger: Johannes Paul II. hat eine Hauptverantwortung dafür, dass die katholische Kirche die Jugend in erschreckendem Maß verliert, was aber kaschiert wird durch die papstschwärmerischen Jugendlichen der neuen konservativen Movimenti spanischer und italienischer Herkunft.
    Die Medien auf die Probe gestellt
    Abgesehen von der Rede von Barbara Engl hat das deutsche Fernsehen weithin »Hofberichterstattung« betrieben – alles ausgerichtet auf die triumphale Schauseite ohne den Hintergrund der kirchlichen Krise. Nicht zuletzt wegen meiner Medienkritik werde ich für den 15. Dezember 1980 nach Köln in den Westdeutschen Rundfunk eingeladen in die streitbare Talkshow »Ich stelle mich« unter der Moderation des scharfzüngigen CLAUS HINRICH CASDORFF .
    Es ist genau ein Jahr nach dem Erlass des päpstlichen Dekrets zum Entzug meiner Lehrbefugnis. Anderthalb Stunden habe ich mich jetzt den Fragen der Journalisten und des Publikums zu stellen. Dazu kommt als »Überraschungsgast« – nachdem in ganz Deutschland kein Bischof für diese Konfrontation gefunden werden konnte – der als konservativer Polemiker bekannte, 2006 verstorbene Dominikanerpater BASILIUS STREITHOFEN . Er bringt keine Analysen und Argumente vor, fordert mich stattdessen mit verletzender Arroganz zur Demut, zur Buße und zum zeitweiligen Rückzug in ein Kloster auf. Auch Fragen eines Psychologen fehlen nicht. Zum Beispiel: »Wenn Sie wählen könnten: Würden Sie zum Zoll, zur Feuerwehr oder zur Armee gehen?« Ich wähle entschlossen die Feuerwehr, sozusagen als »theologischer Feuermelder«.
    Doch zum Schluss der spannenden Befragung hatte man sich einen Überraschungsgag ausgedacht – eine kleine Rache für meine Medienkritik: Ich möge es doch »diesen lammfrommen (man meinte: papstfrommen)

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