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Erlebte Menschlichkeit: Erinnerungen (Küngs Memoiren) (German Edition)

Erlebte Menschlichkeit: Erinnerungen (Küngs Memoiren) (German Edition)

Titel: Erlebte Menschlichkeit: Erinnerungen (Küngs Memoiren) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Küng
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Böblingen nicht. Und er begründet seine Weigerung auch noch im deutschen Fernsehen in der Hoffnung, die katholische Kirche werde die Freiheit seiner Entscheidung tolerieren. Doch weit gefehlt: Empörung in der Bischofskonferenz und besonders im Bischöflichen Ordinariat Rottenburg, wo man sofort Sanktionen beschließt. Den bevorstehenden Papstbesuch freilich will man nicht stören. Doch schon im ersten Gottesdienst nach dem Papstbesuch am 24. November 1980 muss der beliebte Pfarrer seiner Gemeinde ankündigen, dass er sie im Frühjahr 1981 verlassen und künftig als Krankenhauspfarrer tätig sein werde. Aus der Erklärung des Kirchengemeinderates geht hervor, dass Pfarrer Gramer sich schon früher durch sein Engagement für die Ökumene und in der Auseinandersetzung um Hans Küng nach Auffassung der bischöflichen Behörde »am Rand des für die Kirche Tragbaren« bewegt habe. Vermutlich hatte es schon kein oberhirtliches Wohlgefallen hervorgerufen, als der junge Pfarrer Gramer mich als Primizprediger eingeladen hatte und wir seither Freunde waren. Doch ein Dr. Wolfgang Gramer lässt sich durch die Strafmaßnahmen nicht von seinem Kurs abbringen; er gehört zu den Unbeugsamen. Aber später wird er die Seelsorgearbeit in einer Gemeinde Argentiniens der im Bistum Rottenburg vorziehen.
    Natürlich gibt es auch zahlreiche »Wendehälse«: Bekannt der in meinem ersten Band erwähnte Amerikaner MICHAEL NOVAK , der mir im Vatikanum II bei der Publikation von Konzilsreden behilflich war, jetzt aber, vom »rechten« Enterprise Institute in Washington angeheuert, eine gehässige Titelgeschichte gegen mich im »New York Sunday Times Magazine« schreibt. Erschüttert aber hat mich der Fall von Dr.  CHRISTOPH WEBER. Nachdem ich diesem Düsseldorfer Kirchenhistoriker im Jahr 2007 den zweiten Band meiner Memoiren zugesandt habe (in dankbarer Erinnerung an seine Absage einer Gastvorlesung an der Katholisch-Theologischen Fakultät nach dem Verrat der Sieben: Bd. 2, Kap. XII: »Kriecherei, Unterwürfigkeit, schleimige Verschleierung«), antwortet Weber mir (23. 9. 2007), er sei damals wegen seiner Entscheidung bei den katholischen Historikern endgültig in Ungnade gefallen und ohne jede Chance auf einen Lehrstuhl geblieben; mit 62 Jahren habe er sich pensionieren lassen. Wie viele mir unbekannte stille Helden mag es geben, die für ihre Solidarität und Ehrlichkeit teuer bezahlen mussten (ich verweise nochmals auf die lange Liste des »National Catholic Reporter«).
    Gegen alle Dementis Roms und der Bischöfe macht daher schon zu Beginn der 1980er-Jahre die Rede vom »Einfrieren des Konzils« die Runde: Klagen über die Erfolglosigkeit der deutschen, der schweizer und der österreichischen Synode, Klagen über den Rückzug ins römisch-katholische Ghetto, Klagen über die Unterdrückung der neuen schöpferischen Freiheit und Freude in der Kirche und Klagen über den ökumenischen Stillstand in der römisch-katholischen Hierarchie …
    Meinerseits frage ich mich, wie lange wohl diese römisch-katholische Restauration andauern wird. Jene politische Restauration in Europa nach der Französischen Revolution dauerte drei, vier Jahrzehnte: vom Wiener Kongress 1814/15 bis zu den Revolutionen von 1830 und 1848. Aber im heutigen römisch-katholischen System mit einer »Revolution« zu rechnen wäre illusorisch. Da lässt man lieber den Dingen in Rom und anderswo ihren Lauf. Und tritt aus der Kirche aus, real oder mental.
    Der Papst und die katholische Jugend
    »Ein Festival der verpassten Chancen«: so überschreibt das wichtige Schweizer Wochenblatt »Weltwoche« vom 26. November 1980 seinen Bericht von der ersten Deutschlandreise Johannes Pauls II. »Trotz Publikumserfolg – die Bilanz des Papst-Besuches ist negativ. Äußerlich betrachtet nahm der Deutschland-Besuch des Papstes Johannes Paul II. gigantische Ausmaße an. Und doch überwiegt die Skepsis, denn viel Substantielles hat diese Reise nicht gebracht – im Gegenteil … Was nützte, so musste gefragt werden, die schillernde Verpackung, wenn die Botschaft, die antiquierte, bleibt?« Zwar habe bei der suggestiven Inszenierung der Hauptdarsteller, Johannes Paul II., mit fester Stimme und gewinnendem Lächeln ein telegenes Spektakel zum pastoralen Spiel ohne Grenzen auszuweiten vermocht. Aber auf Grundfragen katholischer Religiosität, wie sie vor allem die junge Generation quälen, habe dieser Papst keine Antwort. Dies zeigt sich schlagartig, als am Ende in München

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