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Erlebte Menschlichkeit: Erinnerungen (Küngs Memoiren) (German Edition)

Erlebte Menschlichkeit: Erinnerungen (Küngs Memoiren) (German Edition)

Titel: Erlebte Menschlichkeit: Erinnerungen (Küngs Memoiren) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Küng
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der Eucharistiefeier eingeführt, wird die Dispensenpraxis vom Zölibatsgesetz erleichtert, werden auch in der Vereinfachung hierarchischer Ornate, Titel und Zeremonien kleine Fortschritte erzielt. Manches war offengeblieben, unentschieden. Dieses oder jenes möge sein Nachfolger entscheiden, ist oft die Devise dieses zaudernden und sich selber gegenüber skeptischen Montini-Papstes. Er leidet sichtlich unter den allzu hohen Ansprüchen dieses Amtes. Diese sollten seinen unmittelbaren Nachfolger JOHANNES PAUL I. schon nach kurzer Zeit erdrücken (Bd. 2, Kap. X: Der 33-Tage-Papst). Durch den Amtsantritt JOHANNES PAULS II. aber entsteht eine neue Lage.
    Katholische Vergangenheitsbewältigung unumgänglich
    »Was ist mit Gottes geliebter Kirche passiert?« Wie der Wiener Psychotherapeut und Seelsorger Dr.   RICHARD PICKER 1 fragen sich heute nicht nur Katholiken: Wie konnte es so weit kommen, vom expandierenden Hoch der Konzilszeit in den 1960er-Jahren, als die ganze Welt auf eine kreative Erneuerung der katholischen Kirche und eine ökumenische Verständigung der christlichen Kirchen hoffte, zum stationären ökumenischen Tief der nachkonziliaren Zeit? Viele Christen, frustriert, resigniert oder rebellierend und protestierend, leiden unter dieser Situation. Und da legt der genannte Psychotherapeut es »allen engagierten Christenmenschen dringend nahe«, meine ersten beiden Erinnerungsbände zu studieren: »Denn selten ist es geglückt, die erregende Geschichte rund um das 2. Vatikanische Konzil bis in die Gegenwart so glaubwürdig, präzise und einleuchtend darzustellen.«
    In den oberen Rängen der Kirchenhierarchie übt man angesichts der frustrierenden Entwicklung der Kirche in nachkonziliarer Zeit lieber die Kunst des Vergessens und Verdrängens. Aber nicht Vergessen und Verdrängen befreien, sondern Erinnern und Anerkennen. Und genau darum geht es mir in meinen »Erinnerungen«: nicht um die moralische Aburteilung von Personen in Hierarchie und Theologie, sondern um die kritische Analyse als engagierter Mitakteur derjenigen Strukturen, Institutionen und Personen, welche diese Geschichte bestimmten und die bis heute wirken.
    Es geht mir also um eine Aufarbeitung der Vergangenheit . Eine Verabschiedung oder Vergleichgültigung der Vergangenheit, der Kirchenhierarchie genehm, ist unmöglich und unverantwortlich. Denn die Vergangenheit bleibt ein Stück Gegenwart. Und meine Aufgabe als Theologe und Teilnehmer am Geschehen ist die kritische Aufarbeitung der neuesten Geschichte der katholischen Kirche. Dadurch können die Ursachen dieser Entwicklung analysiert und daraus Lehren gezogen werden.
    Ob mir dies gelungen ist? Wer von vornherein auf der Seite meiner Gegner in Hierarchie und Theologie steht, hat, sofern man sich überhaupt äußert, bemängelt, dass ich allzu direkt, unbefangen und undiplomatisch die neueste Geschichte der katholischen Kirche erzähle, wie sie sich mir als Mitbeteiligtem und Theologen aufgrund genauer Kenntnisse der Fakten und Akten präsentiert. Dass ich dabei Ross und Reiter nenne und die Namen der Urheber bestimmter Aktionen und Intrigen von rechts und links nicht verschweige, hat man mir fälschlicherweise als Rachsucht oder Egozentrik ausgelegt. Das war voraussehbar und unvermeidlich, wenn ich historisch genau arbeiten wollte.
    Hören wir lieber einen unverdächtigen und zugleich hochkompetenten Zeitzeugen, Dr.  HANS MAIER , der als Professor der Politikwissenschaft, früherer bayerischer Kultusminister und ehemaliger Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken als Repräsentant des katholischen Establishments der Bundesrepublik Deutschland gelten darf. Er schreibt in seinem Artikel über meinen zweiten Erinnerungsband: »Auf den mehr als 700 Seiten begegnet ihnen [Fachhistorikern und Theologen, aber auch Neugierigen und Interessierten] eine kaum überschaubare Fülle von Personen, Orten, Begebenheiten. Fast tausend Namen umfasst allein das Personenregister. Die biographische Sorgfalt, die Achtsamkeit selbst aufs Kleine und Kleinste lässt sich – zumal in einer Autobiographie – kaum noch steigern. Zur gewohnten Präzision und Schärfe der Argumentation kommt die Akribie der Aktenführung hinzu, aus der sich Küngs Biographik zu großen Teilen speist: Abläufe und Konflikte, vor allem das Verfahren der Glaubenskongregation gegen Küng, werden minutiös geschildert – manchmal fast wie in einem Gerichtsprotokoll. Gewiss, es fehlt ›die andere Seite‹, es fehlen,

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