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Erlebte Menschlichkeit: Erinnerungen (Küngs Memoiren) (German Edition)

Erlebte Menschlichkeit: Erinnerungen (Küngs Memoiren) (German Edition)

Titel: Erlebte Menschlichkeit: Erinnerungen (Küngs Memoiren) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Küng
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Hoffnung, Barabanow würde sich in die deutsche Theologie einleben, erfüllt sich nicht, da er die deutsche Sprache nicht lernen kann oder will. Er verliert schließlich den Kontakt mit mir. Eine gescheiterte Hoffnung.
    Anders verhält es sich mit dem bedeutenden Prediger, Schriftsteller und Reformator ALEXANDER MEN (Bd. 2, Kap. V: Bleibende Hochachtung vor der orthodoxen Kirche). Ich habe ihn nach der Wende auf einer katholischen Akademietagung in Weingarten kennengelernt. Er setzt sich in Russland für eine zeitgemäße Verkündigung sowie für soziale und politische Reformen ein. Wir verstehen uns sofort. Ich schicke ihm nach der Tagung mein Buch »Ewiges Leben?« nach Moskau und erhalte kurz darauf als Antwort die Schreckensnachricht, Alexander sei am 9. Mai 1990 auf dem Weg zum morgendlichen Gottesdienst, vermutlich von Agenten des Geheimdienstes, mit einer Axt erschlagen worden. Eine zweite gescheiterte Hoffnung.
    Die russisch-orthodoxe Kirche versteift sich in der Folgezeit und besonders nach dem Zusammenbruch des Sowjetkommunismus leider immer mehr im Traditionalismus. Rom aber verpasst die Chance, ihrer russischen Schwesterkirche zu helfen, sich in der modernen Zeit zurechtzufinden. Ja, Rom, das selber ständig Probleme mit der Moderne hat, verstärkt noch die konservative Tendenz und macht in Fragen wie Frauenordination und Sexualmoral faktisch gemeinsame Front mit den Orthodoxen gegen die anglikanische Gemeinschaft und die evangelischen Kirchen.
    Immerhin dürfen nach der großen Wende meine Bücher in Russland übersetzt und veröffentlicht werden. Ich verdanke es Prof.   ALEXEI BODROW vom St Andrew’s Biblical Theological College in Moskau, dass nun ein Buch nach dem anderen erscheinen darf, so zum Beispiel im Jahr 2013 »Was ich glaube« und »Freud und die Zukunft der Religion«; bereits 2012 »Die Kirche«. In der Beurteilung der Lage der Christenheit in Ost und West sind wir beide weithin gleicher Meinung.
    Sieben Strategien gegen den fortdauernden Rückwärtskurs
    Was tun Katholiken in der katholischen Kirche angesichts dieser unerfreulichen Lage? Natürlich gibt es in dieser Zeit römisch-katholischer Restauration, wenn man mit ihr nicht einverstanden ist, verschiedene Strategien geistigen Überlebens, für jeden Christenmenschen, Mann oder Frau, und so auch für jeden Theologen. Millionen Katholiken sind nicht einverstanden mit diesem Kurs. Auf diese Situation lassen sich sieben höchst unterschiedliche Reaktionen beobachten, von denen für mich die ersten vier freilich nicht infrage kommen:
    1. Man kann aus der Kirche austreten , wie dies schon sehr früh zu meinem größten Bedauern Englands damals bekanntester katholischer Theologe Charles Davis getan hat (Bd. 2, Kap. I: Radikale Antwort: Kirchenaustritt). In Deutschland sind seit dem Amtsantritt Johannes Pauls II. 1978 drei Millionen Mitglieder aus der römisch-katholischen Kirche ausgetreten (nicht nur wegen der Kirchensteuer), und der katholische Anteil ging – allerdings auch infolge der Wiedervereinigung – von 43,6 Prozent (1978) auf 31,4 Prozent (2004) zurück. Brasilien, ein Land mit 195   Millionen Einwohnern, darunter 164   Millionen Katholiken, verzeichnet die stärkste Abkehr zu protestantischen Freikirchen. Gab es 1980 noch 90   Prozent Katholiken, sind es 2011 nur mehr 64   Prozent.
    2. Man kann das Schisma einer ganzen Gruppe herbeiführen, wie dies von rechts aus der reaktionäre Alt-Erzbischof Marcel Lefebvre (1988 exkommuniziert) und seine traditionalistische Priesterbruderschaft des Heiligen Pius X. getan haben (Bd. 2, Kap. VIII: Gegen eine Spaltung der Kirche), was freilich bisher keine einzige reformerische Gruppe getan hat.
    3. Man kann in die innere Emigration gehen und schweigen. Viele frühere Reformgesinnte haben frustriert aufgegeben. Sie bleiben zwar in der Kirche, aber engagieren sich nicht mehr: »Ist doch alles umsonst, dieses System lässt sich nicht reformieren!« So fehlt es überall immer mehr an profilierten Leuten, die Widerstand leisten.
    4. Man kann sich äußerlich anpassen , aber privat ganz anders denken. Das tun viele, die sich mit dem »Genossen Trend« verbinden. Das tun von der Kirche abhängige Geschäftsleute, vor allem aber konformistische Politiker, die auf gute Beziehungen mit der Kirche Wert legen und auf Kirchentagen und bei Papstmanifestationen gerne in der ersten Reihe sitzen, aber ihre Einwände gegen offizielle Dogmen oder Moral bestenfalls privat äußern.
    Es lassen

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