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Erlebte Menschlichkeit: Erinnerungen (Küngs Memoiren) (German Edition)

Erlebte Menschlichkeit: Erinnerungen (Küngs Memoiren) (German Edition)

Titel: Erlebte Menschlichkeit: Erinnerungen (Küngs Memoiren) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Küng
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des Papstes, erneut anerkennen, wenn dieser der Church of England und den anderen Gliedkirchen der Anglican Communion weitgehende Autonomie, vor allem in der Wahl ihrer Bischöfe, der Beibehaltung der Priesterehe und der eigenen Liturgie gewährte. Das würde von Rom allerdings einen Verzicht auf den nicht im Neuen Testament und der alten katholischen Tradition des ersten Jahrtausends, sondern im mittelalterlichen Kirchenrecht begründeten Macht- und Rechtsanspruch voraussetzen.
    Dass im Geist des Konzilspapstes Johannes XXIII. ein solcher Machtverzicht möglich und ratsam wäre, habe ich schon in meinem nach dem Konzil 1967 veröffentlichten Buch »Die Kirche« ausführlich dargelegt und die englische Ausgabe dem ökumenisch gesinnten Erzbischof von Canterbury, Dr.  MICHAEL RAMSEY (1961-74), gewidmet. Dies wurde in der anglikanischen Kirche allgemein mit Wohlwollen aufgenommen. In der Folge hat die offizielle Anglikanisch/Römisch-katholische Internationale Kommission (ARCIC) in diesem Geist Einigungsdokumente erarbeitet, die eine Wiedervereinigung der beiden Kirchen ermöglicht hätten. Doch auch diese verschwanden ohne positive Antwort in den Schubladen des Vatikans: »Zu viel Küng-Theologie«, hieß es dort, natürlich inoffiziell.
    Im Anschluss an die Jahresversammlung unserer Internationalen Zeitschrift für Theologie »Concilium« in Cambridge werde ich am 24. Juli 1980 vom neuen Erzbischof von Canterbury, Dr.  ROBERT  RUNCIE (1980-91), in dessen Londoner Residenz, den Lambeth Palace, eingeladen. Es geschieht dies im Blick auf den ersten Besuch eines Papstes in Großbritannien seit der Spaltung im 16. Jahrhundert. Sie war bekanntlich von König Heinrich VIII. und seinem Wunsch nach Annullierung seiner ersten Ehe provoziert und unglücklicherweise durch die Exkommunikation des Königs durch Papst Paul III. (1537) und Königin Elisabeths I. durch Papst Pius V. (1570) definitiv vollzogen worden. Der Primas fragt mich um Rat: »Halten Sie es für möglich, dass Johannes Paul II. in der Kathedrale von Canterbury an einer anglikanischen Eucharistiefeier teilnehmen wird?« Meine Antwort konnte nur lauten: »Forget it, Your Grace, das wird er nie tun.« Doch der Erzbischof: »Es geht doch nur um eine rein passive Assistenz ohne Konzelebration.« Ich antworte: »Nein, dies wird er nicht tun, weil dies die faktische Anerkennung der Gültigkeit der anglikanischen Weihen und Eucharistiefeiern bedeuten würde.« Diese Gültigkeit wird bekanntlich seit der historisch freilich höchst zweifelhaften Bulle Leos XIII. »Apostolicae curae« (1896) von Rom wegen Formmangels und fehlender Apostolischer Sukzession infrage gestellt.
    Der Primas fragt weiter: »Wozu würden Sie denn raten?« Mein Rat: »Lassen Sie doch Johannes Paul II. ganz persönlich und diskret (unter Umständen durch ein Mitglied der königlichen Familie) wissen, dass Sie ihn sehr gerne in Canterbury empfangen würden, aber nur wenn er bei dieser Gelegenheit offiziell auf die Konsenspapiere der gemeinsamen Kommission ARCIC eine konstruktive Antwort gibt.«
    Es ist klar: Für Rom ist die gegenseitige Anerkennung der kirchlichen Ämter, für die ich mich mit vielen anderen immer wieder neu eingesetzt habe, eine Machtfrage (vgl. Bd. 2, Kap. VI: Apostolische Sukzession – eine Machtfrage ersten Ranges). Die spezielle römische Doktrin gibt nämlich die Möglichkeit, alle anglikanischen und protestantischen Pfarrer und Bischöfe als von vornherein nicht gültig ordiniert abzuqualifizieren und ihren Kirchen deshalb die Abendmahlsgemeinschaft zu verweigern – ungeachtet aller ökumenischer Impulse des Vatikanum II und aller Konsensdokumente zwischen den Kirchen. Statt sich zu öffnen, versteift sich der Vatikan erneut auf theologisch veraltete Rechtspositionen.
    Was immer da hinter den Kulissen abgelaufen ist: Dr.   Runcie verzichtet auf eine anglikanische Eucharistiefeier. Er empfängt den Papst feierlich in der Kathedrale von Canterbury: Man umarmt sich protokollgemäß und hält freundliche Ansprachen samt Gebet. Dies alles, obwohl der Primas weiß, dass dieser Papst ihn nicht einmal für einen gültig geweihten Priester hält und über die gegenseitige Anerkennung der Ämter und die erwünschte Abendmahlsgemeinschaft kein Wort verliert. Mir erscheint die ganze Zeremonie als eine pseudoökumenische Farce. Für den Papst ein Medienerfolg und für den Primas eher eine Verschärfung des Dilemmas der anglikanischen Kirche: römisch oder

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