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Erlebte Menschlichkeit: Erinnerungen (Küngs Memoiren) (German Edition)

Erlebte Menschlichkeit: Erinnerungen (Küngs Memoiren) (German Edition)

Titel: Erlebte Menschlichkeit: Erinnerungen (Küngs Memoiren) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Küng
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ausdrücklich »sub secreto«, unter der hohen Geheimhaltungsstufe des Sanctum Officium. Dort aber ist inzwischen die Administration modernisiert worden. Mithilfe des Computers lassen sich all die Denunziationen und Pressemeldungen leichter verarbeiten. Noch immer gibt es das zweigeteilte System der Archivierung nach Sachgebieten oder nach Personen. Wehe, wenn einer schon eine Protokollnummer in diesem Archiv erhalten hat – meine ist bekanntlich Nr.   399/57i aus dem Jahr meiner Doktordissertation 1957 (in der Indexabteilung) –, dann wird alles dort abgelegt, was aus welchem Erdteil auch immer gegen ihn (selten für ihn) gemeldet wird. So zum Beispiel im Jahr 1981 die Verhinderung meiner Einreise in die Philippinen auf Intervention des päpstlichen Nuntius.
    Angesichts des von Kardinal Ratzinger unterstützten konservativ-restaurativen Kurses von Papst Wojtyła, der trotz aufwendiger und umjubelter Auslandsreisen die zunehmende Entfremdung vieler Katholiken von ihrer Kirche nicht verhindern, aber auch die ernsthaften ökumenischen Bestrebungen an der Basis nicht unterdrücken kann, gilt es für mich persönlich erst recht, die ökumenische Theologie zu vertiefen, ja auszuweiten.
    Horizonterweiterung der ökumenischen Theologie notwendig
    Schon ein Jahrzehnt vor dem Globalisierungsprozess der 1990er-Jahre war mir klar: Es ist eine Theologie in ökumenischem Geist gefordert, die den ganzen Globus im Blick hat und so global, universal nach zwei Richtungen voranzutreiben ist – sowohl ad intra (nach innen) in der Christenheit wie ad extra (nach außen) in der Weltgesellschaft.
    Was aber heißt für mich ökumenische Theologie nach innen ? Gegen alle defätistischen Parolen unbeweglicher Kirchenmänner, man käme in der Verständigung bezüglich der klassischen Streitfragen nicht weiter, sollten wir uns bemühen, in den Kirchen noch intensiver den schon seit Langem erreichten Diskussionsstand im ökumenischen Gespräch zu rezipieren, zu realisieren und zu propagieren. Aufgrund vieler Publikationen und ökumenischer Kommissionen lässt sich belegen: Auch wenn Rom es bisher nicht wahrhaben will, dürfen die klassischen Streitfragen Schrift und Tradition, Rechtfertigung und Sakramente im Prinzip als nicht mehr kirchentrennend angesehen werden. Die nach wie vor (vor allem wegen der römischen Machtansprüche) umstrittenen Fragen betreffen »nur« die Kirchenverfassung, die Kirchenämter und ihre »Apostolische Sukzession« und natürlich das Papsttum.
    Wir sollten uns also auf die verbliebenen Kontroversfragen der Reformationszeit, aber auch des östlich-westlichen Schismas konzentrieren. Die vier neuen vatikanischen Dogmen – päpstlicher Primat und Unfehlbarkeit (1870), Mariens Unbefleckte Empfängnis (1854) und leibliche Aufnahme in den Himmel (1950) – bedürfen besonders sorgfältiger Diskussion. Dabei sollten noch stärker die uns in deutschsprachigen Ländern ferner stehenden Fragen sowohl der östlichen Orthodoxie als auch der protestantischen Freikirchen ernst genommen werden. Vor diesem gesamtchristlichen Horizont behandle ich deshalb schon in meiner ersten Vorlesungsreihe 1980/81 folgende Themen eines Ökumenismus ad intra: »Zur Freiheit eines Christenmenschen«, »Kirche von oben – Kirche von unten«, »Petrusamt – Unfehlbarkeit«, »Abendmahl und Interkommunion«, »An einen Sohn Gottes glauben«, »Die Herausforderung des christlichen Ostens«.
    Aber »Ökumene« heißt der ganze »bewohnte Erdkreis« und nicht nur die Christenheit. Es stellen sich hier die schwierigen Fragen einer nicht nur zwischenkirchlichen, christlichen Ökumene, sondern auch die einer außerkirchlichen, außerchristlichen Weltökumene .
    Was also heißt für mich ökumenische Theologie nach außen ? Dass wir uns immer mehr auf die Weltökumene mit ihren verschiedenen Regionen und Religionen, Philosophien und Wissenschaften ausrichten. Nach außen sehen sich christliche Kirchen und Theologien vor gemeinsame Fragen gestellt, die sie überzeugend nur gemeinsam zu beantworten vermögen. In meiner Vorlesungsreihe behandle ich deshalb wichtige Fragen eines Ökumenismus ad extra: vor allem »Theologie, Politik und Gesellschaft«, »Ökumene mit den Juden?«, »Eine Ökumene der Weltreligionen?«, »Ein ökumenisches Christsein«.
    So gewinnt, hoffe ich Anfang der 1980er-Jahre, langsam eine ökumenische Theologie Gestalt, der man die konfessionelle Vergangenheit noch ruhig anmerken darf, die aber – der gemeinsamen christlichen

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