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Erlebte Menschlichkeit: Erinnerungen (Küngs Memoiren) (German Edition)

Erlebte Menschlichkeit: Erinnerungen (Küngs Memoiren) (German Edition)

Titel: Erlebte Menschlichkeit: Erinnerungen (Küngs Memoiren) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Küng
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ökumenisch?
    Immer mehr wird diese Kirche jetzt mit römischem Druck einer verhängnisvollen Zerreißprobe ausgesetzt: Rechts der katholisierende Flügel, der bei Einführung der (von Rom ohne neutestamentliche Grundlage verworfenen) Frauenordination mit Abspaltung und Anschluss an Rom droht. Links der liberale Flügel. Er hat sich neben der Frauenordination die (vom Apostel Paulus verurteilte) praktizierte Homosexualität kompromisslos zum innerkirchlichen Kampfprogramm erkoren. So wird in den USA die Wahl eines bekennenden schwulen Pfarrers zum Bischof der Diözese New Hampshire durchgesetzt – und dies trotz der drohenden Spaltung sowohl in der Diözese wie in der weltweiten anglikanischen Gemeinschaft. Für Rom natürlich ein weiterer Grund, auf die »Rückkehr« von Hunderten anglikanischer Geistlicher in den Schoß der »einzig wahren Kirche« nicht nur zu hoffen, sondern auch für sie zu werben. Faktisch sind es nur ein paar Dutzend, als der Vatikan im Jahr 2011 unter BENEDIKT XVI. für übertrittswillige Anglikaner ein erstes katholisches Personal-Ordinariat unter einem früheren anglikanischen Bischof einrichtet, wovon im Kapitel XI die Rede sein wird. Man will in Canterbury offenkundig nicht sehen, dass man ohne eine ökumenische Kursänderung in Rom kaum einen gemeinsamen Weg finden und durchhalten wird.
    Dialog mit der östlichen Orthodoxie ohne Ergebnisse
    Zu Beginn von Ratzingers Pontifikat hatte es allgemein geheißen, dieser Papst würde statt des Dialogs mit den Protestanten den mit der östlichen Orthodoxie suchen. Aber nachdem der Besuch von Papst Benedikt in Konstantinopel im Jahr 2006 wegen der römischen Machterhaltungsstrategie statt ökumenischer Ergebnisse nur eine neue Kommission erbracht hatte, die bisher auch resultatlos blieb, verspürt man im Moskauer Patriarchat wenig Lust, den Papst nach Russland einzuladen, nur damit er sich dort »päpstlich« präsentieren und profilieren kann. So kommt es denn weder mit Konstantinopel noch mit Moskau zu einem ernsthaften Dialog. Die Einsetzung von römisch-katholischen Bischöfen in Gebieten mit minimaler Katholikenzahl wie Sibirien belastet darüber hinaus die Beziehungen zwischen Rom und Moskau bis heute.
    Für den römischen »Weltkatechismus« mit all seinen vatikanischen Dogmen über Maria und den Papst sowie den römischen Speziallehren zur Sexualmoral war in Russland im Prozess der Abwendung vom Kommunismus ohnehin kaum Bedarf. Für eine zeitgemäße Theologie freilich durchaus. Für meine Bücher bestand ja schon unter der kommunistischen Diktatur unter wachen Russen großes Interesse. Vor allem »Christ sein« und »Existiert Gott?« wollten bestimmte Kreise in Moskau unbedingt auf Russisch herausbringen. Ich erteilte nicht nur die Übersetzungsrechte, sondern wandte auch große Summen auf für Papier, Übersetzung und Druck der beiden Bücher und ihr Erscheinen im illegalen, aber effektiv funktionierenden »Samisdat«.
    Auch kümmere ich mich, wie berichtet, um das Schicksal eines jungen theologisch interessierten Russen, EVGENIJ BARABANOW , der aufgrund seiner religiösen Überzeugung Schwierigkeiten mit dem KGB hat. Ich schlage ihn der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Tübingen für ein Doktorat honoris causa vor (Bd. 2, Kap. IX: Ehrenpromotion eines sowjetischen Dissidenten). Trotz des Protestes der Sowjetbotschaft in Bonn nimmt die Fakultät im Zusammenhang der 500-Jahr-Feier der Universität 1977 die Promotion vor, zusammen mit denen des berühmten Physikers und Philosophen CARL FRIEDRICH VON WEIZSÄCKER , des ökumenisch gesinnten Benediktinerabts LAURENTIUS KLEIN und des sozial engagierten Bischofs ADRIANO HIPOLITO von Nova Iguaçu/Brasilien.
    Ich kümmere mich in der Folge auch um die Übersetzung und Publikation zweier origineller Aufsätze Barabanows. Auch darf er während seines Aufenthalts in Tübingen zusammen mit seiner zweiten Frau Ludmila (die erste hatte er mit zwei Kindern in Moskau zurückgelassen) in meinem Hause wohnen. Ein festliches Abendessen zu seinen Ehren mit einem Dutzend Gästen litt allerdings unter der einstündigen Verspätung der Ehrengäste, die einkaufen waren. Professor LUDOLF MÜLLER , ein von mir oft konsultierter hochgebildeter Slawist, der sich seit Jahrzehnten um die Übersetzung und Interpretation russischer Literatur (vor allem Dostojewski und Solowjow) kümmert, rettet die peinliche Situation mit der Erklärung, Russen kämen regelmäßig zu spät. Aber meine große

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