Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Erlebte Menschlichkeit: Erinnerungen (Küngs Memoiren) (German Edition)

Erlebte Menschlichkeit: Erinnerungen (Küngs Memoiren) (German Edition)

Titel: Erlebte Menschlichkeit: Erinnerungen (Küngs Memoiren) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Küng
Vom Netzwerk:
Sekretärs und Inspirators, des Baslers Dr.   LUKAS VISCHER . Zugleich scheint die gemeinsame theologische Kommission des ÖRK und des römischen Einheitssekretariats zur Passivität verurteilt zu sein; der gemeinsame Ausschuss »Für Gesellschaft, Entwicklung und Frieden« (SODEPAX) stellt seine Arbeit sogar lautlos ein.
    Es ist ein Jammer: Die katholische Kirche, als die mit Abstand zahlenmäßig größte und zugleich bestens organisierte, hätte die Möglichkeit, dem Ökumenischen Rat inspirierend und vermittelnd (gerade zwischen protestantischen und östlich-orthodoxen Kirchen) Hilfestellung zu leisten. Leider muss ich das Gegenteil feststellen: Rom betreibt offen und versteckt eine Obstruktionspolitik, die in Genf die ökumenische Stagnation fördert und für die Zukunft nicht viel Gutes verheißt. An der Einheit des Ökumenischen Rates ist man im Vatikan nicht wirklich interessiert.
    Es wird sich zeigen: Die erste Europäische Ökumenische Versammlung im Mai 1989 im evangelischen Basel, veranstaltet von der Konferenz Europäischer Kirchen (KEK) und dem Katholischen Rat der Europäischen Bischofskonferenzen, wird ein großer Erfolg und hat eine ausgezeichnete Grundsatzerklärung für Frieden, Gerechtigkeit und Bewahrung der Schöpfung hervorgebracht. Auch die zweite Europäische Ökumenische Versammlung 1997 im katholischen Graz zeigt sich offen für eine Botschaft für eine Einheit der Kirchen, den Frieden der Religionen und die Gemeinschaft der Nationen, auch wenn es zu keiner klaren Formulierung eines Aktionsprogramms – etwa bezüglich der von mir vorgeschlagenen Gründung eines »Rates der Religionen« in allen größeren Städten – kommt. Aber die dritte Europäische Ökumenische Versammlung, 5.–9.   September 2007 in Sibiu (Hermannstadt), im orthodoxen Rumänien, leidet bereits stark unter der ökumenischen Flaute. Sie vermeidet zwar den befürchteten großen Krach zwischen Orthodoxen und Protestanten, doch einigt sie sich nur auf eine allzu allgemeine Schlussbotschaft und bringt nicht den geringsten Fortschritt in den strittigen Fragen.
    Doch was mir besonders schlimm scheint: Von führenden Kirchenvertretern wird dieser selbst produzierte ökumenische Stillstand hingenommen, ja gerechtfertigt. Wenn es richtig berichtet wurde 4 : Kardinal WALTER KASPER , Präsident des Päpstlichen Rates zur Förderung der Einheit der Christen, mein früherer Assistent, der als Tübinger Professor das bereits erwähnte zukunftsweisende Malta-Papier 1971 mitunterschrieben, es aber auf der hierarchischen Karriereleiter offensichtlich vergessen hat, und der für die Blockade der ökumenischen Verständigung unter den beiden Päpsten Wojtyła und Ratzinger die Mitverantwortung trägt, erklärt 2007, dass sich der Weg, mit theologischen Gesprächen über die Gräben hinweg zu einer Annäherung und zu einem Konsens zu kommen, erschöpft habe: »Wir kommen nicht mehr viel weiter.« Und in derselben ökumenischen Konferenz sieht der damalige Ratsvorsitzende der EKD, der Berliner Bischof WOLFGANG HUBER , wie immer sich an Rom anschmiegend, die bisherigen Bestrebungen nach Annäherungen und Übereinkunft ebenfalls an ihr Ende gekommen und hebt ab in eine nebulöse »spirituelle« Utopie: »Ich glaube, das Modell der Ökumene müsste eine Ökumene der Spiritualität, des wechselseitigen Respektes und des gemeinsamen Handelns sein.« 5 Was mich betrifft, so wende ich mich nicht gegen Bemühungen um eine erneuerte Spiritualität, aber sie darf nicht zum Ersatz für Strukturreformen, Abendmahlsgemeinschaft, eine wechselseitige Anerkennung der Kirchen werden.
    Doch bleibt die römische Position wie eh und je: Ökumenische Reden, Kommissionen und Meetings ja, aber keine gegenseitige Anerkennung der Ämter, kein gemeinsames Abendmahl der Gläubigen, keine Diskussion des römischen Primats- und Unfehlbarkeitsanspruchs und keine Lösung der damit verbundenen kontroversen praktischen Fragen. Und das soll also nun das künftige Modell der Ökumene sein? Wie soll es da in der ökumenischen Arbeit weitergehen?
    Das Dilemma der Anglikaner
    Der römische Restaurationskurs hat vielleicht am meisten der weltweiten Anglican Communion Schaden zugefügt, die vor allem durch ihre Loyalität zu ihrem Primas, dem Erzbischof von Canterbury, zusammengehalten wird. Mit ihr könnte Rom die Communio, die Kircheneinheit, am leichtesten herstellen. Denn die anglikanische Kirche könnte aufgrund ihrer Geschichte einen Pastoralprimat des Bischofs von Rom,

Weitere Kostenlose Bücher