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Erlebte Menschlichkeit: Erinnerungen (Küngs Memoiren) (German Edition)

Erlebte Menschlichkeit: Erinnerungen (Küngs Memoiren) (German Edition)

Titel: Erlebte Menschlichkeit: Erinnerungen (Küngs Memoiren) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Küng
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konservativen italienischen Bewegung »Comunione e Liberazione« unterstützt wird. »Concilium« hat dagegen schon früh auch neuen theologischen Strömungen wie der lateinamerikanischen Befreiungstheologie (Gustavo Gutiérrez, Leonardo Boff) und der feministischen Theologie (Elisabeth Schüssler-Fiorenza) eine theologische Heimat gewährt. Allerdings ist aus der Zeitschrift des konziliaren Mainstreams aufgrund der kurialen Restauration des mittelalterlich-gegenreformatorisch-antimodernen Systems faktisch immer mehr eine Zeitschrift der loyalen Opposition in der Kirche geworden.
    Im Februar 1980 hatten die Mitglieder des Direktionskomitees von »Concilium« eine Erklärung veröffentlicht: »Wir sehen keinen begründeten Anlass, unseren Kollegen Hans Küng nicht mehr als katholischen Theologen zu betrachten. Wir wollen daher auf eine Revision der Verurteilung drängen. Wir fordern außerdem, dass die kirchliche Verfahrensweise endlich die allgemein geltenden Menschenrechte berücksichtigt.« 3
    Aber, frage ich mich vor dieser Zusammenkunft in Noordwijk, wie würden mich meine Kollegen nach der großen Konfrontation mit Rom aufnehmen? Die Assoziierung mit meinem Namen konnte ja durchaus vom einen oder anderen in seiner manchmal auch schwierigen Situation als Belastung empfunden werden. Dafür hätte ich durchaus Verständnis. Leider nimmt jetzt sogar ein Karl Rahner aufgrund des Unfehlbarkeitsstreites nicht mehr an unserer Jahresversammlung teil, bleibt aber Mitglied.
    Doch ich bin erleichtert und erfreut: Ich werde von allen mit großer Herzlichkeit und Umarmungen aufgenommen. Es werden wie immer die bevorstehenden Nummern diskutiert und geplant. In ungetrübter Gemeinsamkeit machen wir am 31. Mai einen Ausflug nach Haarlem und ins Frans-Hals-Museum und besuchen anschließend Amsterdam.
    Schulterschluss mit »politischer Theologie«?
    Seitdem ich ihn persönlich kenne, bemühe ich mich um ein gutes Einvernehmen mit JOHANN BAPTIST METZ , der sich jetzt gerne »Vater der politischen Theologie« nennen lässt. Ist er in guter Stimmung, ist die Zusammenarbeit mit ihm angenehm. Ja, wir können oft herzlich miteinander lachen, besonders wenn wir abends zusammensitzen. Er war nun mit meiner ausdrücklichen Unterstützung für den ausgeschiedenen Karl Rahner in den Stiftungsrat von »Concilium« nachgerückt.
    Unsere nach dem Tod Pauls VI. im August 1978 in der Weltpresse publizierte Erklärung zur Papstwahl hatte Metz ursprünglich mitgetragen, dann aber freilich zusammen mit Rahner durch eine eigene kurze Erklärung konterkariert (Bd. 2, Kap. X: Welchen Papst brauchen wir?). In Sitzungen kann er manchmal ausgesprochen schwierig sein. Aber was soll’s? Der Schulterschluss gerade mit ihm scheint mir wichtig. Die gesellschaftskritischen Grundintentionen der »politischen Theologie« teile ich und hatte sie schon in »Christ sein« (1974) im Kapitel über »Die gesellschaftliche Relevanz« (Kap. D III,1) gewürdigt, obgleich mir das Etikett »politische Theologie« (vom Hofbischof Kaiser Konstantins, Eusebios, eingeführt und wieder vom Wegbereiter des Nationalsozialismus, Carl Schmitt, gebraucht) missverständlich erscheint und ich auch die Neigungen mancher »politischer« Theologen zum Marxismus nicht teile.
    Eine große öffentliche Bewährungsprobe besteht die Zusammenarbeit zwischen Johann Baptist Metz und mir zu meiner großen Freude wenige Tage nach der Jahresversammlung in Holland: auf dem Katholikentag in Berlin (5.-8. Juni 1980). Im überfüllten Auditorium Maximum der Freien Universität, wo 1968 die studentischen Revolutionäre agiert hatten, werden wir beide schon beim Eintritt jubelnd begrüßt. Rund 5000 vor allem junge Zuhörer und Zuhörerinnen, auch in der weiten Eingangshalle, auf den Treppen und Podesten. Für mich ist es der erste große öffentliche Auftritt nach der Konfrontation mit Rom. Auch jetzt liegt wieder so etwas wie revolutionäre Luft im Raum. Viele Christen beider oder auch keiner Konfession haben die römische Willkürherrschaft satt. Aber es ist gar nicht leicht, die höchst verschiedenen Erwartungen zu erfüllen.
    Mir geht es in erster Linie darum, die Impulse der rund 20 sehr unterschiedlichen Gruppen und Initiativen der kirchlichen Basis, die sich in den Auseinandersetzungen um Papst und Unfehlbarkeit zu Wort gemeldet hatten, aufzunehmen und den »Katholikentag von unten« und später auch die Initiative »Kirche von unten« theologisch zu unterstützen. Ich muss ein Interesse

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