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Erlebte Menschlichkeit: Erinnerungen (Küngs Memoiren) (German Edition)

Erlebte Menschlichkeit: Erinnerungen (Küngs Memoiren) (German Edition)

Titel: Erlebte Menschlichkeit: Erinnerungen (Küngs Memoiren) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Küng
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den 7.–9.   Mai 1984nach Tübingen einberufen werden: namhafte Schriftsteller, Literaturwissenschaftler und Theologen, insgesamt 57   Personen. 7
    Uns, die wir dieses Symposion einberufen haben, so formulierte ich in meiner Einführungsrede, geht es nicht nur allgemein um das Phänomen Religion in der Literatur, sondern durchaus zugespitzt um das Verhältnis Theologie – Literatur, beziehungsweise Theologen – Literaten. Uns treibt die Frage um: Wie muss sich Theologie (und Kirche) im Spiegel der Literatur wahrnehmen? Welche Rolle wird die Religion im Allgemeinen und die Theologie im Besonderen spielen bei der Bewältigung der tief greifenden, lang wirkenden Veränderungen, die unsere Welt durchmacht? Theologie sucht gerade in dem so sensiblen Raum der Literatur nach Möglichkeiten, ihre eigenen Defizite und Deformationen zu diagnostizieren, aber auch neue Formen des Umgangs mit Religion zu entdecken.
    Es sollte auf unserem Symposion um eine gegenseitige Herausforderung von Theologie und Literatur gehen. Unübersehbar ist ja, dass die Auseinandersetzung mit religiösen Erfahrungen und Problemen in zeitgenössischer Literatur auch dann weiterging, als die traditionelle »christliche Literatur« untergegangen war. Was ist konkret gemeint? Die Theologen sollen dabei gewiss ihr Eigenes einbringen, aber sie müssen auch immer wieder gewarnt werden von literaturwissenschaftlichen Methodikern wie literarischen Praktikern, literarische Texte religiös oder christlich gegen die Intentionen der Autoren zu vereinnahmen. Die Schriftsteller aber sollen durchaus ihrem eigenen ästhetischen Gewissen folgen. Doch zugleich sollten sie sich noch eindringlicher bewusst machen, wie ethisch-religiöse Themen auf der Höhe heutigen ästhetischen wie theologischen Problembewusstseins sprachlich verarbeitet werden müssten.
    Wir setzen am ersten Tag originell ein mit einer Exkursion: »Auf den Spuren des Pfarrers und Poeten Eduard Mörike«. Zunächst nach Cleversulzbach, wo PETER HÄRTLING eine kritische Laudatio auf den Pfarrer Mörike hält. Weiter in das berühmte Deutsche Literaturarchiv in Marbach, willkommen geheißen vom Direktor Professor BERNHARD ZELLER und mit einer Eröffnungsrede von Walter Jens.
    In der ersten Arbeitseinheit am folgenden Tag werden Texte gelesen: von PETER HÄRTLING aus der Bundesrepublik, GÜNTER DE BRUYN aus der DDR, GERTRUD FUSSENEGGER aus Österreich und KURT MARTI aus der Schweiz. In der zweiten Arbeitseinheit dann die literaturwissenschaftlichen Probleme, Methoden und Analysen: mit WALTHER KILLY und THEODORE ZIOLKOWSKI (Princeton) sowie Korreferaten von WILFRIED BARNER und DIETMAR MIETH . Am Abend eine öffentliche Podiumsdiskussion über die Frage: »Ist ›Gott‹ heute literarisch darstellbar?«, mit den Schriftstellern INGEBORG DREWITZ , ADOLF MUSCHG und EVA ZELLER , dem Literaturwissenschaftler JÜRGEN SCHRÖDER und den Theologen HUBERTUS HALBFAS und HEINZ ZAHRNT . In der dritten Arbeitseinheit schließlich folgen die spezifisch theologischen Probleme; sie wird bestritten von KLAUS JEZIORKOWSKI und KARL-JOSEF KUSCHEL mit Korreferaten von PAUL KONRAD KURZ und mir.
    Wieweit unser Symposion dem von mir formulierten kühnen Ziel gedient hat, ist schwer abzuschätzen. Das Programm wurde jedenfalls allgemein als äußerst interessant und fruchtbar angesehen. Die Themen wurden lebendig und kontrovers diskutiert. Alles ist dokumentiert in dem von Jens, Kuschel und mir herausgegebenen Sammelband. 8
    Im Jahre 1989 wagen wir noch einmal eine Serie von drei Doppelvorlesungen – mit gleichem Erfolg. Sie sind drei deutschen Nobelpreisträgern gewidmet: THOMAS MANN , HERMANN HESSE und HEINRICH BÖLL . Alle drei waren Gegner brutaler, inhumaner und dem Geist der Aufklärung feindlicher Gesellschaftsordnungen, alle drei entschlossen, selbst in düsterer Zeit die Humanität zu verteidigen: »Anwälte der Humanität« (Veröffentlichung München 1989). Im Mittelpunkt unserer Betrachtungen stehen also nicht so sehr literarische Kriterien. Vielmehr fragen wir danach, wie Religiosität und Christentum aufscheinen im Leben und Werk dieser Männer und wie sich politische Moralität in ästhetischer Form zum Ausdruck bringen lässt. Mich beschäftigt vor allem die Thematik »Thomas Mann und die Frage der Religion«, »Hermann Hesse und die Herausforderung der Weltreligionen«, »Heinrich Böll und die Sehnsucht nach Humanität«.
    Selbstverständlich beschränkte sich mein kulturelles Interesse nie nur auf das Gebiet

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