Erlöst mich: Thriller (German Edition)
durchgeschnitten, die Vorderseite seines Overalls war über und über mit Blut besudelt. Mrs. O’Riordan hatte man in den Hinterkopf geschossen, die golfballgroße Austrittswunde hatte ihr linkes Auge in eine fleischige Masse verwandelt. Jetzt, von Nahem, konnte ich bereits die einsetzende Verwesung riechen, auch wenn die Klimaanlage das Schlimmste überdeckte. Auf jeden Fall waren die beiden seit mehreren Stunden tot, wahrscheinlich seit Mrs. O’Riordan den Anruf beendet hatte.
Wie ich vermutet hatte: eine Falle.
Die bot zugleich eine Gelegenheit. Wer immer Mrs. O’Riordan und ihren Bruder ermordet hatte, erwartete, dass wir uns dem Haus frontal nähern würden. Das hieß, wir konnten sie von hinten überraschen. Ich hatte Tina nicht mit hineinziehen wollen, aber sie hatte ihre Entscheidung getroffen, so wie ich meine.
Mein Finger spannte sich um den Abzug, und ich wandte mich in ihre Richtung.
In diesem Moment tauchte hinter ihr eine hünenhafte, mit einer Motorradhaube maskierte Gestalt auf.
»Runter!«, schrie ich. Mein Schrei explodierte in der Stille.
Instinktiv duckte sie sich. Und genauso instinktiv schoss ich über sie hinweg, gerade als der Maskierte, der selbst eine Pistole in der Hand hielt, sie packte. Ich erwischte ihn mit drei Schüssen im Oberkörper. Er taumelte rückwärts, schlug hin und ließ die Pistole fallen, die zu Boden polterte.
Ich spürte mehr, als dass ich es hörte, wie die Tür auf der anderen Seite aufgestoßen wurde, schwang herum und sah die zweite Gestalt mich ins Visier nehmen. Ich tauchte ab, und die Kugel pfiff über meinen Kopf hinweg und schlug in einen der Küchenschränke ein. Splitter flogen, während ich mich hinter Jean-Pauls Stuhl rollte und durch die Lücke zwischen ihm und seiner Schwester drei weitere Schüsse abgab. Der zweite Killer schoss wieder auf mich.
Sein nächster Schuss riss Jean-Paul den Schädel weg, der dritte schlug auf die Kacheln zwischen meinen Beinen, nur Zentimeter von meinen Kronjuwelen, und dann als Querschläger erneut in die Kücheneinrichtung. Diesmal erwischten mich ein paar Splitter im Gesicht, aber ich ignorierte den Schmerz, froh, dass er mich knapp verfehlt hatte, und jagte selbst eine Kugel in seine Richtung.
Dann hörte ich drei weitere Schüsse, die, wie ich trotz des ohrenbetäubenden Krachs feststellte, aus Tinas Zweiundzwanziger kamen. Ich sah zu ihr hinüber, sie war schon wieder auf den Beinen und stand geduckt und die Waffe mit beiden Händen umklammernd da. Der Mann an der Tür war verschwunden.
Ich ignorierte mein Herzrasen und stand ebenfalls auf. Ich hatte noch drei Patronen im Magazin, und da Tinas
kleine Zweiundzwanziger nur fünf Schuss hatte, blieben ihr zwei. Das hieß, wir konnten uns auf kein langes Feuergefecht einlassen. Ich hatte immerhin einen von ihnen erwischt, und nun galt es, schnellstmöglich zu verschwinden.
Ich schlich geduckt zum Sideboard der Küche, bis ich genau gegenüber der Tür war, in der der zweite Angreifer aufgetaucht war. Der Mann musste ein hervorragender Schütze sein, wenn er in der Dunkelheit ein bewegliches Ziel anvisieren konnte, während er selbst in Bewegung war. Ich hatte Glück gehabt. Eine Kombination, auf die ich mich noch einmal verlassen wollte.
Obwohl mir die Ohren klingelten, hörte ich Tina aufstöhnen, und als ich herumfuhr, sah ich, wie ihre Zweiundzwanziger in hohem Bogen durch die Luft segelte und dann auf dem Küchenboden außer Reichweite schlidderte. Der erste Angreifer, der Hüne, den ich dreimal erwischt hatte, hielt Tina in einem brutalen Schwitzkasten und riss sie hoch an seine Schulter. Der Hund musste eine Kevlarweste getragen haben. Jetzt setzte er ihr die Mündung einer schallgedämpften Pistole an die Schläfe.
Wir standen vier Meter auseinander. Ich hob meine Waffe.
»Fallen lassen, oder sie stirbt«, zischte er mit schwerem russischem Akzent.
Tina wand sich in seinem Griff, und er rammte ihr das Knie in den Rücken. Sie stöhnte auf und begann schmerzverzerrt zu keuchen. Dann hielt sie still, wenngleich ihr Gesicht andeutete, dass sie auf eine zweite Chance wartete.
Mein Blick glitt zur Tür. Der zweite Killer war nirgends zu sehen.
»Fallen lassen«, zischte der Russe wieder und erhöhte
den Druck um Tinas Hals. Ihre Augen traten hervor wie Tischtennisbälle.
»Du hast drei Sekunden! Eins …«
So vieles im Leben wird binnen Sekundenbruchteilen entschieden.
»Zwei!«
Er würde uns nicht am Leben lassen.
»D…«
Ich drückte ab und
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