Erlöst mich: Thriller (German Edition)
und starrte stattdessen mit hängenden Schultern hinaus aufs Meer. Auch die Falten in seinem Gesicht schienen Tina plötzlich tiefer.
Sie wusste, was geschehen war. Es stand ihm ins Gesicht geschrieben. Aber zum ersten Mal verurteilte sie ihn nicht, sondern spürte Kummer und Mitgefühl in sich aufsteigen. Er wirkte wie ein gebrochener Mann, und sie streckte die Hand aus, um ihm tröstend an die Schulter zu fassen. Erst in letzter Sekunde zuckte sie zurück.
»Das Mädchen, das in Manila verschleppt wurde«, begann er leise. »Lene Haagen. Tomboy war an ihrer Entführung beteiligt. Er hat sie zu Heed gebracht. Ich nehme an, das alles geschah im Auftrag von Wise.«
»Oh Gott. Und der war dein Freund?«
»Ich mag’s immer noch nicht glauben, dass er so etwas tun konnte.« Jetzt sah er sie an, seine Augen waren schmerzerfüllt. »Ich schätze, ich habe ihn einfach nicht gekannt.«
Eine Weile saßen sie schweigend nebeneinander.
»Ich habe ihn getötet«, fuhr Milne schließlich fort. »Vorher hat er mir gestanden, dass er neulich einen Koffer zu Heed gebracht hat. Er wusste nicht, was sich darin befand, meinte aber, es müsse wertvoll gewesen sein. Auch ich habe keine Ahnung, was es sein könnte, doch da es mit Wise’
Ankunft in Manila übereinstimmt, hängt es garantiert mit Wise zusammen.«
Tina runzelte die Stirn. »Und es muss etwas mit dem Treffen zu tun haben, das O’Riordan mit Salic geplant hatte. Ich nehme an, Salic hatte Informationen, die er O’Riordan zukommen lassen wollte. Vielleicht war er in die Entführung von Lene Haagen verwickelt und wollte reinen Tisch machen.«
»Aber warum sollte er sich selbst belasten? Und wenn Wise’ Leute wussten, dass er O’Riordan treffen wollte, dann ist Salic wahrscheinlich auch tot.«
»Ich habe die Zeitungen von gestern durchgesehen. Sein Name wird nirgendwo erwähnt.«
»Was uns zurück zu Heed bringt. Er ist der Mann, der die Antworten kennt. Vielleicht hat er sogar noch diesen Koffer. Ich habe seine Adresse in Manila. Heute Abend statten wir ihm einen Besuch ab.«
Milne lehnte sich zurück und starrte wieder aufs Meer.
»Was ist bloß aus dieser Insel geworden. Alles geht vor die Hunde. Die Strände, Tomboy, ich.«
Tina sah ihn an und stellte bestürzt fest, dass sie begann, Mitgefühl für seine Lage zu entwickeln. Sie versuchte sich vorzustellen, wie er kaltblütig O’Riordan und seinen Liebhaber exekutierte, aber es gelang ihr nicht. Auch Hassgefühle verspürte sie nicht mehr. Er sah aus, als wäre seine Bürde ohnehin schwer genug.
Das Handy in ihrer Hose vibrierte. Mit der Nummer auf dem Display konnte sie nichts anfangen. Eine philippinische Nummer. Sie nahm das Gespräch an.
»Ist da Detective Boyd?«, sagte die Frau am anderen Ende. Sie hatte einen starken Akzent.
Plötzlich war Tina hellwach. »Ja, das bin ich, Mrs. O’Riordan.«
»Ich habe darüber nachgedacht, was Sie heute gesagt haben. Ich muss Sie sprechen. Ich habe Informationen über den Tod meines Mannes, die Ihnen vielleicht weiterhelfen.«
»Können Sie mir nicht sagen, worum es geht?«
»Nicht am Telefon. Können Sie herkommen? Jean-Paul ist ausgegangen. Es würde ihm nicht gefallen, wenn ich mit Ihnen spreche. Es ist nichts Angenehmes.«
Tina war versucht, ihr weitere Einzelheiten zu entlocken, aber die Nervosität in der Stimme der Frau hielt sie davon ab. Sie sah zu Milne hinüber, der aufmerksam zuhörte.
»Okay, Mrs. O’Riordan«, sagte sie schließlich, »aber wir sind nicht direkt in der Nähe.« Sie sah auf die Uhr.
»Wir wären gegen halb acht bei Ihnen. Ginge das?«
»Ja, das ist gut. Ich erwarte Sie.«
Tina steckte das Handy wieder ein und berichtete Milne die Einzelheiten.
»Es könnte eine Falle sein«, sagte er, als sie geendet hatte. »Ich halte es für ein bisschen zu passend, dass sie sich plötzlich entscheidet, mit uns zu kooperieren.«
»Was, meinst du, sollten wir tun?«
Er überlegte kurz. »Ich denke, wir sollten hingehen.«
»Ich auch. Aber wir müssen uns etwas überlegen, falls es eine Falle ist.«
Er griff in sein Hemd und zog etwas hervor. Es war in ein schmutziges rotes Bandana eingewickelt.
»Hier«, sagte er und schob es Tina zu. »Das solltest du besser einstecken.«
Tina hob einen Zipfel an. Wie erwartet war es eine Pistole. Dem Anschein nach eine Zweiundzwanziger.
»Die habe ich aus Tomboys Haus«, sagte Milne. »Ich wäre beruhigter, wenn du dich selbst verteidigen kannst.«
Tina hätte sie nicht annehmen sollen, tat
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