Erlöst mich: Thriller (German Edition)
die Frontseite des Hauses nach dem Killer ab. »Wenn Sie es tun, werden Sie sich dafür verantworten müssen. Wollen Sie das? Wollen Sie das wirklich?«
Der Ältere sagte etwas auf Tagalog zu seinem Kollegen. Der Jüngere sah ihn angewidert an und gab etwas zurück. Es entbrannte eine kurze heftige Diskussion.
»In Ordnung, Sie sind beide festgenommen«, sagte der Ältere schließlich auf Englisch und löste ein Paar altmodische Wildwest-Handschellen von seinem Gürtel. »Sie werden mit uns mitkommen.«
Der Jüngere bellte Milne an, er solle sich umdrehen, und trat ihm in die Rippen.
Einen Augenblick lang fürchtete Tina, Milne könnte etwas versuchen, was angesichts des krankhaft verzerrten Gesichts des Cops selbstmörderisch gewesen wäre, aber Milne gehorchte und ließ sich die Hände auf den Rücken fesseln.
Ihre Blicke trafen sich. Milne wirkte, als ergebe er sich in sein Schicksal, wolle aber nicht, dass ihr das Gleiche widerfuhr. »Lauf, Tina!«, schrie er, als der ältere Cop auf sie zuging und die Handschellen aufklappte. »Lauf!«
Erst wusste sie nicht, was sie tun sollte. Wenn sie wegrannte, käme dies einem Eingeständnis gleich, etwas mit den Morden im Haus zu tun zu haben, und sie würde in einem fremden Land als Flüchtige gelten. Sie könnte sich sogar eine Kugel in den Rücken einfangen. Allerdings gab es auch keine Garantie, dass sie am Leben blieb, wenn sie sich ergab. Die Geschwindigkeit, mit der die beiden zum zweiten Mal hier aufkreuzten, gefiel ihr überhaupt nicht. Das konnte kein Zufall sein.
Was hieß, dass sie wahrscheinlich mit den Killern unter einer Decke steckten.
Der ältere Cop packte sie am Arm. »Umdrehen.«
»Lauf, Tina!«, hörte sie Milne rufen, dann einen harten Schlag.
Im Jahr zuvor hatte sie an der Polizeischule einen Kick-Box-Kurs absolviert, weniger wegen der Kampftechnik als wegen ihrer Fitnessmanie, die, wie sie sich selbst eingestand, fanatisch war. Das harte Training zahlte sich jetzt aus, denn sie schwang lehrbuchhaft herum und traf ihren Widersacher mit einem satten Uppercut unter dem Kinn. Der überraschte Bulle ging zu Boden, und Tina rannte über die Straße und hechtete ins Unterholz. Sie rappelte sich auf und sprintete los, ohne auf die Zweige zu achten, die ihr ins Gesicht schlugen, und ohne eine Ahnung zu haben, wohin sie sich wenden sollte. Im Augenblick wollte sie nur möglichst viel Distanz zwischen sich und das Haus und ihre Verfolger bringen.
Nach vielleicht fünfzig Metern übersah sie eine Senke, verlor das Gleichgewicht und stürzte mit dem Gesicht voran in einen übel riechenden Schlamm. Insektenschwaden schwirrten auf, doch sie blieb erschöpft liegen und versuchte, ihren Atem unter Kontrolle zu bekommen. Sie hörte, wie der Streifenwagen wegfuhr, und fragte sich, was jetzt aus Milne werden würde. Er hatte ihr heute das Leben gerettet, mindestens einmal, wahrscheinlich sogar zweimal. Als der Russe sie gepackt und ihr die Pistole an die Schläfe gesetzt hatte, war sie überzeugt gewesen, sterben zu müssen. Sie erinnerte sich, wie er sie drei Tage zuvor in einer anderen Welt misshandelt hatte, und jetzt war sie ihm wieder ausgeliefert gewesen. Wut und Hass
hatten sie übermannt. Sie hatte gewollt, dass Milne ihn erschoss.
Und er hatte es geschafft. Ihm eine Kugel genau zwischen die Augen verpasst. Ohne mit der Wimper zu zucken. Dazu brauchte man Mut. Die allermeisten Männer hätten ihre Waffe fallen lassen. Er nicht. Dafür respektierte sie ihn. Und nun wurde er weggebracht. Entweder ins Gefängnis geworfen oder ermordet. Und sie würde keine Gelegenheit mehr haben, ihm zu danken.
Sie spürte das Handy, das gegen ihren Schenkel drückte, und überlegte einen Moment, Mike Bolt anzurufen, damit er von England aus alle Hebel in Bewegung setzte. Aber wäre Milne damit geholfen? Sicher nicht. Er war so oder so erledigt. Vielleicht war der Tod für ihn sogar die bessere Option. Mike anzurufen bedeutete nur, ihre Karriere zu zerstören, und wahrscheinlich würde sie in einem philippinischen Gefängnis landen, weil sie einem Mörder geholfen hatte.
Doch es tat weh, dass sie ihn der Gnade der beiden Cops ausgeliefert hatte. »Du konntest nichts dagegen machen«, redete sie sich ein. »Und sowieso, er verdient, was auf ihn zukommt.«
Sie war sich nicht sicher, ob sie sich selbst glaubte.
Einer der vielen Moskitos landete auf ihrer Wange. Ärgerlich schlug sie ihn weg.
Da hörte sie den Zweig knacken.
Sie erstarrte, die Hand immer noch an der
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