Erlöst mich: Thriller (German Edition)
zurück. Mit dem Barkeeper als Deckung würde ich ihn nicht töten können, deshalb zielte ich auf seine Beine und drückte dreimal kurz hintereinander ab. Eine der Kugeln zerschlug die Kniescheibe des Filipino, doch Heed schoss unbeeindruckt zurück und erreichte die Tür. Ich sprang auf, bereit, ihn in den Bauch zu schießen, wenn ich die Chance dazu bekam, aber Heed feuerte einen weiteren Schuss ab, stieß mir den Barkeeper entgegen und versuchte, die Tür hinter sich zuzuziehen. Zum Glück lag das Bein
des Filipinos im Weg, Heed brachte die Tür nicht zu, feuerte noch zweimal aufs Geratewohl heraus und verschwand dann nach unten. Ich jagte ihm eine Kugel hinterher, aber er war längst in der Dunkelheit verschwunden.
»Bleib, wo du bist!«, rief ich Tina zu, die ebenfalls wieder auf die Beine kam, und rannte zur Tür.
Ich trat sie auf, verbarg mich aber neben dem Rahmen, falls er mir von unten auflauerte. Trotz des Klingelns in meinen Ohren konnte ich seine Schritte hören, die sich zu entfernen schienen. Noch einmal signalisierte ich Tina, sie solle bleiben, wo sie war, dann folgte ich Heed vorsichtig die Treppe hinunter. Eine falsche Bewegung, und das Schwein hätte leichtes Spiel, mich abzuknallen.
Die Treppe wand sich um hundertachtzig Grad, und ich arbeitete mich Stufe für Stufe hinab. Ich wünschte, meine Augen wären schärfer und meine Ohren besser. Doch unten war niemand mehr. Ehe ich mich versah, hatte ich ein dunkles Kellergewölbe vor mir, das eher einem Verlies ähnelte als der Wohnung eines Menschen. Irgendwo brannte ein Licht und schuf einen zwielichtigen Dämmer, und die Luft war stickig, feucht und kühl.
Die Stille war ohrenbetäubend, doch ich wagte mich die letzten Stufen hinunter und stand in einer Art Diele, von der rechts ein schmaler unbeleuchteter Flur abzweigte, während sie sich nach links hin verbreiterte. Zwei Türen gingen von diesem Korridor ab, ehe der sich ebenfalls als schmaler Gang im Dunkel verlor. Eine der Türen stand offen, und ich konnte erkennen, dass es sich um eine Küche handelte, und von dort drang auch der Lichtschein heraus.
Ich kniff die Augen zusammen, um sie an das Dunkel zu gewöhnen, und schlich zur Küchentür, stieß sie mit dem
Lauf des Revolvers auf und sah hinein. Sie war leer. Ich schaute mich nach allen Seiten um und überlegte, in welche Richtung er sich zurückgezogen hatte, wissend, dass mich der geringste Fehler das Leben kosten konnte.
Dann hörte ich es. Ein unterdrückter Schrei, hinter einer der Türen, vielleicht vier Meter entfernt.
Ich schrak zusammen und hob die Waffe. Obwohl die Luft eisig war, spürte ich, wie sich auf meiner Stirn Schweißperlen bildeten. Ich bekam Platzangst und musste all meine Kraft aufbringen, nicht in Panik die Treppe hochzustürmen. Ich schaffte es, sie niederzukämpfen, blieb stehen und lauschte. Wartete.
Ich riskierte einen kurzen Blick über die Schulter, doch da war nichts, und nun hörte ich auch keine Geräusche mehr.
Dann kam es wieder. Das unterdrückte Schluchzen. Wieder hinter dieser Tür. Ich machte einen Schritt darauf zu. Der Revolver lastete schwer in meiner Hand.
Da ging die Tür auf, und ich musste etwas mit ansehen, was man keinem Menschen zumuten sollte.
44
Sie drängten aus dem Raum, als wären sie zusammengeschweißt.
Das Mädchen war nackt, mager und schmutzig. Sie war höchstens zwölf und hatte den verbitterten, aber noch immer naiven Blick eines Straßenkindes. Ihre runden braunen Augen waren angstvoll aufgerissen. Heed schob sie als Schutzschild vor sich her, ihren Kopf in seiner Achselhöhle, die Mündung seiner Pistole brutal gegen ihre Wange gepresst. Seine wässrigen fischgrauen Augen glitzerten verschlagen. Er sah aus, als habe er die Schwachstelle seines Feindes ausgemacht.
»Lass die Waffe fallen, oder sie stirbt«, bellte er, und die Erregung in seiner Stimme war unüberhörbar. »Du weißt, dass ich sie töte, ich knall dieses Baby ab, und dann war’s deine Schuld.«
Ich konnte das Böse, das aus seinen Augen strahlte, fast körperlich spüren. Und obwohl ich wusste, dass er es ernst meinte, hielt ich weiter meinen Revolver auf ihn gerichtet.
Denn wenn ich die Waffe fallen ließ, würde er erst mich und dann das Mädchen töten.
Hinter mir auf der Treppe rührte sich etwas. Ich hoffte, es war nicht Tina, die in diese düstere Hölle herabstieg.
Unbewaffnet konnte sie nichts ausrichten. Im Gegenteil, sie würde alles nur noch schlimmer machen.
»Waffe weg, Milne.
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