Erlösung
sprichst, dicht am Wasser, weißt du das?«
Jønsson nahm sein iPhone aus der Tasche und gab im Navi die Adresse ein. Es dauerte einen Moment, dann schüttelte er den Kopf. Er reichte Carl das Handy und deutete auf die Stelle. Ferslev war mehrere Kilometer vom Wasser entfernt. Nein, dort konnte das Bootshaus nicht liegen, keine Frage. Aber wo dann?
»Assad, wir müssen trotzdem dorthin. Vielleicht treffen wir da Menschen, die den Kerl kennen.«
Er wandte sich an Karsten Jønsson.
»Ist dir der Mann aufgefallen, der aus dem Aufzug kam, als wir davorstanden und uns unterhielten? Graumelierte Haare, Brille. Das war er, das war der Typ, der deine Schwester überfallen hat.«
Der Schock saß. Jønsson konnte kaum reagieren. »Nein! O Gott! Nein, der ist mir nicht aufgefallen. Bist du sicher?«
»Hast du nicht gesagt, man hätte dich aus dem Zimmer geschickt, weil deine Schwester verlegt werden sollte? Das war er wohl. Du hast ihn wirklich nicht gesehen?«
Jønsson schüttelte den Kopf, sichtlich verstört. »Nein, tut mir leid. Der hat sich über Rachel gebeugt. Ich hatte keinerlei Verdacht. Er trug ja einen Kittel.«
Sie blickten alle zu der Gestalt unter dem Laken. Was für ein Albtraum!
»Tja, Karsten«, sagte Carl und streckte ihm die Hand hin. »Ich wünschte, wir wären uns unter anderen Umständen wiederbegegnet. Aber es war gut, dass du hier warst.«
Sie gaben sich die Hand.
Da schoss Carl ein Gedanke durch den Kopf. »Moment, Assad und Isabel. Noch eine Frage! Der Mann hatte angeblich eine deutlich sichtbare Narbe. Wissen Sie, wo er die hatte?«
Er sah zur Krankenschwester, die neben dem Bett saß und den Kopf schüttelte. Isabel Jønsson schlief bereits tief, die Antwort musste warten.
»Dann haben wir also drei Dinge zu tun«, sagte Assad, als sie den Raum verlassen hatten. »Wir müssen all die Stellen abfahren und anschauen, die Yrsa auf den Luftaufnahmen eingekreist hat. Dabei vielleicht auch an das denken, was Klaes Thomasen gesagt hat. Und zweitens die Sache mit dem Bowling. Wir müssen mit dem Phantombild überall dorthin, wo gebowlt wird, und außerdem noch in dieses Ferslev, da, wo es gebrannt hat, um die Nachbarn zu befragen.«
Carl nickte. Gerade hatte er entdeckt, dass Rose noch immer vor den Aufzügen an der Wand lehnte. Weit war sie nicht gekommen.
»Sitzt dir das immer noch in den Knochen, Rose?«, fragte er beim Näherkommen.
Sie zuckte die Achseln. »Dem Jungen das mit seiner Mutter sagen zu müssen, das war hart«, murmelte sie. Sie hatte geweint, das ließ sich unschwer aus den schwarzen Streifenschließen, die sich von ihrem Eyeliner aus über die Wangen zogen.
»Ach, Rose, das tut mir leid.« Assad nahm sie behutsam in den Arm, und so verharrten sie eine ganze Weile, bis sich Rose zurückzog, mit ihren langen Ärmeln die Nase abwischte und Carl direkt ansah.
»Wir kriegen das Schwein, ja? Ich geh nicht nach Hause. Sag mir, was ich tun kann, und ich werd’s diesem Scheißkerl zeigen.« Jetzt blitzten ihre Augen.
Rose war wieder da.
Rose sollte sich auf die Bowlingzentren in Nordseeland konzentrieren. Sie sollte denen die Phantomzeichnung faxen mitsamt den diversen Namen, die sich inzwischen mit dem Mörder in Verbindung bringen ließen. Nachdem Carl Rose dahingehend instruiert hatte, ging er mit Assad zum Auto. Das Navi programmierten sie auf Ferslev.
Inzwischen war Feierabendzeit. Aber sie waren nicht Herr und Frau Büromaus, die auf so etwas pochen konnten. Schon gar nicht an einem Tag wie diesem.
Als sie zu dem abgebrannten Bauernhaus kamen, war die Sonne gerade am Untergehen. In einer halben Stunde würde es dunkel sein.
Der Brand musste gewaltig gewesen sein. Vom Wohnhaus standen nur noch Reste der Außenmauern, dasselbe galt für die Scheune. Auch im Umkreis von dreißig, vierzig Metern war alles vollkommen verbrannt. Die Bäume ragten wie rußige Totempfähle in den Himmel, und auch die Felder rings um die Gebäude waren bis hin zu den Nachbargrundstücken schwarz.
Kein Wunder also, dass die Löschfahrzeuge sowohl von Lejre als auch von Roskilde, Skibby und Frederikssund ausgerückt waren. Das hätte sich zu einer richtigen Katastrophe entwickeln können.
Sie drehten zwei Runden ums Haus.
Als Assad den ausgebrannten Lieferwagen zwischen den Mauerresten entdeckte, rief er, das erinnere ihn an den Nahen Osten.
Carl hatte so etwas noch nie gesehen.
»Hier finden wir nichts, Assad. Der hat alle Spuren hinter sich ausgelöscht. Lass uns zum nächsten
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