Erlösung
er wohnt«, erklärte Assad.
Carl richtete sich auf. »Sie hat eine Adresse?«
»Ja, und noch etwas«, ergänzte Assad nach weiterem konzentriertem Zuhören. »Er hatte einen hellblauen Lieferwagen. Dessen Nummer hat sie im Kopf.«
Eine Minute später war das Kennzeichen notiert.
»Ich leg mal los.« Karsten Jønsson stand auf und ging.
»Isabel sagt, dass der Mann eine Adresse in einem Dorf auf Seeland hat«, fuhr Assad fort. Wieder wandte er sich Isabels Gesicht zu. »Ich verstehe nur nicht genau, wie das Dorf heißt, Isabel. Endet der Name auf
løv
? Nein, nicht? Auf
slev
?«
Er nickte, als Isabel antwortete.
Der Name des Ortes endete auf
slev
, den ersten Teil konnte Assad beim besten Willen nicht verstehen.
»Wir machen eine Pause, bis Karsten wiederkommt, ja?«, sagte Carl in Richtung Krankenschwester.
Die nickte. Eine Pause war mehr als willkommen.
»Ich hatte gedacht, Isabel sollte heute verlegt werden?«, fragte Carl.
Die Krankenschwester nickte wieder. »Aber in Anbetracht der Umstände werden wir damit wohl noch ein paar Stunden warten.«
Es klopfte und eine Frau kam ins Zimmer. »Ich habe einen Anruf für einen Carl Mørck. Ist der hier?«
Carl hob einen Finger und bekam ein schnurloses Telefon in die Hand gedrückt.
»Hallo«, sagte er.
»Guten Tag. Mein Name ist Bettina Bjelke. Sie haben mich gesucht, habe ich gehört. Ich bin die Sekretärin auf Station ITA 4131. Ich hatte bis sechzehn Uhr Dienst.«
Carl winkte Assad zu sich, damit er mithören konnte.
»Wir brauchen die Personenbeschreibung eines Mannes, der Isabel Jønsson zur Zeit des Schichtwechsels besucht hat. Nicht der Polizist, der andere. Können Sie uns da weiterhelfen?«
Assad kniff beim Zuhören die Augen zusammen. Als die Sekretärin fertig war und aufgelegt hatte, sahen sie sich kopfschüttelnd an.
Die Beschreibung des Mannes, der Isabel Jønsson überfallen hatte, passte haargenau auf den Mann, der im Erdgeschoss ausdem Aufzug gekommen war, als sie dort gestanden und sich mit Karsten Jønsson unterhalten hatten.
Graumeliert, etwa Mitte fünfzig, fahle Haut, etwas gebeugt, Brille. Ziemlich weit entfernt von einem großen Mann Mitte vierzig, dynamisch, mit vollem Haar, wie Josef ihn beschrieben hatte.
»Der Mann war verkleidet«, bemerkte Assad lakonisch.
Carl nickte. Verdammt! Nun hatten sie das Phantombild mindestens hundertmal angesehen, und trotzdem hatten sie ihn nicht erkannt. Trotz seines breiten Gesichts. Trotz der auffälligen, fast zusammengewachsenen Augenbrauen.
»Ich könnte mich in den Arsch beißen«, stöhnte Assad neben ihm.
Das war ja fast noch zurückhaltend ausgedrückt. Sie hatten ihn gesehen! Sie hatten ihn womöglich am Ärmel gestreift! Sie hätten das Leben zweier Kinder retten können! Wenn sie nur die Hand ausgestreckt und zugepackt hätten!
»Ich glaube, Isabel hat Ihnen noch etwas zu sagen«, meldete sich die Krankenschwester zu Wort. »Und ansonsten glaube ich, wir müssen abbrechen. Isabel ist sehr müde.« Sie deutete auf die Messinstrumente. Die Aktivität war deutlich herabgesetzt.
Assad stellte sich neben das Bett und legte sein Ohr an Isabels Mund.
»Ja«, sagte er nach ein, zwei Minuten und nickte. »Ja, Isabel, danke, ich hab’s verstanden.«
»Auf dem Rücksitz des Unfallwagens sollen einige Kleidungsstücke des Entführers liegen. Sachen mit Haaren dran. Was sagst du dazu, Carl?«
Er sagte nichts. Vielleicht auf lange Sicht wichtig, aber hier und jetzt ohne Belang.
»Und dann sagt Isabel noch, der Entführer habe so eine kleine Bowlingkugel an seinem Autoschlüsselbund, und auf der steht die Ziffer 1.«
Carl schob die Unterlippe vor. Die Bowlingkugel! Die hatte er also immer noch. Seit mindestens dreizehn Jahren war er nun mit der Kugel am Schlüsselbund unterwegs. Die musste ihm wirklich was bedeuten.
»Ich hab die Adresse!« Karsten Jønsson war mit einem Block in der Hand ins Zimmer gekommen. »Ferslev, nördlich von Roskilde.« Er reichte Carl die Anschrift. »Der Besitzer heißt Mads Christian Fog, das ist einer der Namen, die Isabel vorhin genannt hat.«
Carl sprang auf. »Dann mal nichts wie los«, sagte er und gab Assad ein Zeichen.
»Na ja«, kam es zögernd von Karsten Jønsson. »So sehr braucht ihr euch nicht zu beeilen. Von der Feuerwehr in Skibby habe ich gerade erfahren, das Anwesen sei am Montagabend total abgebrannt.«
Abgebrannt! Demnach war ihnen dieses Arschloch einen Schritt voraus.
Carl atmete schwer aus. »Liegt das Anwesen, von dem du
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