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Erlösung

Erlösung

Titel: Erlösung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jussi Adler-Olsen
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»Bekommt man bald mal was zu tun?«
    Carl erstarrte. Normalerweise schlichen die Leute hier unten nicht auf leisen Sohlen herum. Wenn also diese Yrsa, die eben noch wie eine Horde durchgehender Gnus herumgetrampelt war, sich plötzlich dermaßen lautlos bewegte, dann zerrte das an seinen Nerven.
    Sie wedelte nach irgendetwas. »Igitt, eine Schmeißfliege, die hasse ich. Eklig.«
    Carl folgte dem Tier mit den Augen. Wo hatte sich das wohl seit neulich aufgehalten? Er griff nach der Akte auf dem Tisch. Es sollte doch mit dem Teufel zugehen, wenn er der verdammten Fliege nicht eins auf den Rüssel geben konnte.
    »Ich bin nun installiert. Willst du schauen?«, fragte Yrsa, und ihre Stimme glich zum Verwechseln der von Rose.
    Ob er sich ansehen wollte, wie sie sich installiert hatte? Nichts lag ihm ferner.
    Er ließ die Fliege Fliege sein und wandte sich Yrsa zu.
    »Du möchtest mit Arbeit eingedeckt werden, sagst du? Gut. Dafür bist du ja wohl auch hier. Dann fang mal damit an, dass du in den Vorstandsetagen der abgebrannten Unternehmen anrufst. Fordere die Jahresabschlüsse der letzten fünf Jahre der Firmen K.   Frandsen Engros, Public Consult und JPP Beslag A/S an und schau dir deren Kontokorrentkredite und die kurzfristigen Kredite an. Okay?« Er schrieb die Namen der drei Firmen auf einen Zettel.
    Sie sah ihn an, als habe er etwas Unzüchtiges geäußert. »Nein, lieber nicht, wenn ich so frei sein darf«, sagte sie.
    »Und warum nicht?«
    »Weil es ungleich leichter ist, die aus dem Internet rauszusuchen, und warum dann am Hörer kleben? Hier ist in zehn Minuten Feierabend.«
    Carl versuchte zu ignorieren, dass sein Ego urplötzlich zwischen den Plisseefalten ihres Rockes verschwand. Vielleicht sollte er ihr eine Chance geben.
    »Carl, sieh dir das mal an«, sagte Assad von der Tür her und trat einen Schritt zur Seite, um Yrsa vorbeizulassen.
    »Ich hab lange davorgesessen und es mir angeschaut«, fuhr er fort und reichte Carl die Kopie des Flaschenbriefs. »Und nach einer Weile war ich mir sicher, dass in der zweiten Zeile ›Ballerup‹ steht. Daraufhin hab ich im Stadtplan alle Straßen von Ballerup durchgesehen und dabei rausgefunden, dass der einzige Straßenname, der auf das Wort direkt vor dem›in‹ passt, Lautrupvang ist. Gut, der Typ hat ›Lautrop‹ statt ›Lautrup‹ geschrieben, aber er war ja auch nicht so gut in Rechtschreibung.«
    Einen Moment fixierte Assad die Fliege, die unter der Decke herumsauste. Dann sah er Carl an.
    »Was meinst du, Carl? Glaubst du, das könnte stimmen?« Er deutete auf die entsprechende Stelle. In der Kopie stand jetzt:
     
    HILFE
    Wir wurden am _6   Februa 1996 entfürt − An der Bushaltestele Lautropvang in Ballerup − Der Mann ist 1,8_ groß k_r_e Hare
     
    Carl nickte. Das sah recht wahrscheinlich aus, ja, unbedingt. Dementsprechend musste man nun sofort in die Archive abtauchen.
    »Du nickst. Du findest also, das passt. Ach, ist das schön, Carl«, rief Assad, wälzte sich über den Tisch und küsste ihn oben auf den Kopf.
    Carl zog sich ruckartig zurück und sah ihn streng an. Sirupkuchen und gezuckerter Tee, das ging ja noch. Aber Gefühlsausbrüche nahöstlicher Proportionen, die brauchte er nun wirklich nicht.
    »Es war also entweder der 16. oder der 26.   Februar 1996, das wissen wir jetzt«, fuhr Assad konzentriert fort. »Wir wissen auch, wo es passiert ist, und außerdem wissen wir noch, dass der Entführer ein Mann und größer als einsachtzig war. Nun fehlen uns nur noch zwei Wörter in der Reihe, irgendwas mit seinen Haaren.«
    »Ja, Assad. Und dann noch die Bagatelle von fünfundsechzig Prozent Restbrief«, sagte Carl.
    Aber grundsätzlich wirkte die Deutung ziemlich plausibel.
    Carl nahm das Papier und ging auf den Gang, um sich die vergrößerte Kopie des Briefs anzusehen. Hätte er tatsächlich geglaubt, Yrsa sei mit den Jahresabschlüssen der brandgeschädigten Firmen beschäftigt, wäre er einem Irrtum aufgesessen. Sie stand nämlich mitten im Flur, völlig losgelöst von der Welt um sie herum, und starrte auf den Flaschenbrief.
    »Hallo, Yrsa«, sagte Carl. »Lass mal, damit werden wir schon fertig.« Aber Yrsa bewegte sich keinen Millimeter.
    Wohl wissend, wie ähnlich sich Geschwister in ihren Verhaltensweisen sein können, zuckte er die Achseln und ließ Yrsa in Ruhe. Irgendwann würde ihr von der Haltung schon der Nacken wehtun.
    Zusammen mit Assad stellte er sich neben sie. Verglich man Assads Entschlüsselungsversuch mit dem, was

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