Erlösung
ihrer Tür. Leider war das ein ungünstiger Zeitpunkt, denn Rachel war unpässlich, hatte Kopfschmerzen, die Anfangsbeschwerden der Menstruation. Im Augenblick wollte sie nichts weiter, als dass sich die Kinder in ihren Zimmern aufhielten und Joshua sich um seine Angelegenheiten kümmerte.
Aber Joshua öffnete dem Mann die Tür und zog ihn an den Eichenholztisch in der Küche.
»Denk dran, dass wir vielleicht nicht so viele Gelegenheiten haben«, flüsterte er und bat sie inständig, das Sofa zu verlassen. »Nur eine Viertelstunde, Rachel, dann kannst du dich wieder hinlegen.«
Als sie daran dachte, wie willkommen der Gemeinde frisches Blut war, stand sie auf. Die Hand auf den Unterleib gepresst, ging sie in die Küche, fest davon überzeugt, die Gottesmutter habe diesen Zeitpunkt sorgfältig gewählt, um sie auf die Probe zu stellen. Schmerzen sind nichts anderes als eine leichte Berührung durch Gottes Hand. Daran sollte sie erinnert werden. Übelkeit ist nur wie brennender Wüstensand. Sie waren alle Jünger, die lernen mussten, dass sich ihnen Leibliches nicht in den Weg stellen durfte.
Und deshalb ging sie zwar blass, aber tapfer lächelnd auf ihn zu und bat ihn, an ihrem Tisch Platz zu nehmen und die Gaben des Herrn zu empfangen.
Er sei in Levring gewesen und in Elsborg, um sich Höfe von Kleinbauern anzusehen, erzählte er, während er an dem heißen Kaffee nippte. Übermorgen oder am Montag wollte er nach Ravnstrup und Resen fahren, wo es ebenfalls attraktive Angebote gab.
»Herr Jesus!«, rief Joshua und sah sie sofort entschuldigend an. Er wusste, dass sie es hasste, wenn er den Namen des Sohns der Gottesmutter missbrauchte.
»In Resen?«, fuhr er fort. »Doch nicht etwa an der Straße zur Plantage Sjørup? Geht es um das Haus von Theodor Bondesen? Dann kann ich dafür sorgen, dass du es zum richtigen Preis bekommst. Das hat mindestens acht Monate leer gestanden. Ja, noch länger.«
Über das Gesicht des Mannes huschte ein sonderbares Zucken. Joshua fiel es natürlich nicht auf, aber ihr. Ein Zucken, das nicht hätte sein dürfen.
»In Richtung Sjørup?«, wiederholte der Mann, und sein Blick flackerte durch den Raum, als suchte er nach einem festenHalt. »Das weiß ich nicht. Aber das kann ich dir am Montag sagen, wenn ich das Haus angesehen habe.« Jetzt lächelte er. »Wo sind eure Kinder? Machen sie Hausaufgaben?«
Rachel nickte. Besonders mitteilsam schien er nicht zu sein. Hatte sie ihn vielleicht falsch eingeschätzt? »Wo wohnst du jetzt?«, blieb sie beim Thema. »In Viborg?«
»Ja, ich habe im Stadtzentrum einen ehemaligen Kollegen. Wir sind vor einigen Jahren gemeinsam gefahren. Nun ist er Frührentner.«
»Aha? Wie so viele zu früh verbraucht?«, fragte sie und suchte den Augenkontakt.
Jetzt sah er sie mit den guten Augen an. Das dauerte etwas, aber vielleicht war er einfach zurückhaltend. Es musste jedenfalls kein schlechter Zug sein.
»Verbraucht? Nein, das ist er nicht. Wenn es das nur wäre, falls man das so sagen darf. Nein, mein Freund Charles hat bei einem Verkehrsunfall seinen Arm verloren.«
Mit der Handkante zeigte er, wie weit oben amputiert worden war. Das weckte böse Erinnerungen bei ihr. Abschätzend sah er sie an, hielt ihren Blick eine Weile fest, dann senkte er die Augen. »Ja, das war wahrhaftig ein schrecklicher Unfall. Aber er kommt zurecht.«
Plötzlich hob er den Kopf. »Noch etwas! Übermorgen ist in Vinderup ein Karatetreffen. Ich habe mir überlegt, ich könnte Samuel fragen, ob er mitkommen und es sich ansehen will. Aber vielleicht ist das mit seinem schlimmen Knie zu früh? Wie geht es damit? Hat er sich etwas gebrochen, als er die Treppe hinuntergefallen ist?«
Jetzt lächelte Rachel und sah zu ihrem Mann. Genau diese Art von Mitgefühl und Sorge für den Nächsten, dafür stand ihre Kirche. »Nimm die Hand deines Nächsten und streichele sie sanft«, wie der Pfarrer immer sagte.
»Nein«, antwortete ihr Mann. »Das Knie ist so dick wie der Schenkel, aber in einigen Wochen wird die Schwellung abgeklungensein. In Vinderup sagst du? Ein Karatetreffen? Na so was.« Ihr Mann strich sich übers Kinn. Dann war das garantiert etwas, worauf er gleich näher eingehen wollte. »Aber wir können Samuel ja fragen. Was meinst du, Rachel?«
Sie nickte. Doch ja, solange er vor der Ruhezeit zurück sein könnte, wäre das doch wunderbar. Vielleicht könnten ja alle Kinder mitkommen, falls sie Lust dazu hätten?
Da veränderte sich seine Miene, wurde
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