Erlösung
Grund deines Besuches bedrohlich ist“, ihre Arme legten sich um mich, „so bin ich trotzdem froh, dass du hier bist.“
Ich erwiderte ihre feste Umarmung und küsste ihr weiches Haar. Sie roch so gut, am liebsten hätte ich sie gar nicht mehr losgelassen, doch das Schicksal hatte ganz andere Pläne. „Und wie geht es dir heute?“, fragte ich und deutete dabei mit einer Hand auf den Infusionsbeutel. „Ist es wieder schlimmer geworden?“
Sie schüttelte den Kopf. „Nein, es geht eigentlich, das sind nur Aufbaupräparate, gemischt mit irgendeinem… ach keine Ahnung wie dieses Zeug heißt. Mein Vater meint einfach, dass er alles tun muss, was auch nur im Entferntesten etwas bringen könnte. Na ja, generell eine gute Sache, aber seine Fürsorge kommt etwas spät…“ Ich behielt meinen Kommentar, dass sie ihm die Krankheit auch lange Zeit verschwiegen hatte, lieber für mich, denn ich fand es unangebracht. Unschuldig war Richard Ashton schließlich auch nicht, wenn man fast das ganze Jahr über nicht zu Hause war, dann war es nur logisch, viele Dinge gar nicht erst mitzukriegen. Im unteren Stockwerk waren plötzlich Schritte und Stimmen zu hören. Ich konzentrierte mich augenblicklich auf die Geräusche. Zwei Menschen waren im Anmarsch.
„Es kommt jemand“, flüsterte ich und ließ Lesley abrupt los. „Es klingt wie Newton und eine Frau oder ein Kind.“
„Colette“, sagte Liz sofort. „Sie wollte mich heute noch besuchen und mit mir eine Art Pyjamaparty feiern.“ Ein wehmütiges Lächeln zuckte in ihren Mundwinkeln.
„Verstehe, und ich dürfte genau genommen eigentlich gar nicht hier sein. Wollen wir also nicht riskieren, dass sie mich entdeckt und meine Anwesenheit verrät…“ Deshalb zog ich mich eilig von Lesley zurück, um mich in den hintersten und dunkelsten Winkel ihres Schlafzimmers zu verkriechen. Es war vielleicht auch eine automatische Reaktion, weil ich mich sonst immer von Menschen ferngehalten hatte, um unentdeckt zu bleiben. Seitdem ich Liz kannte, lagen meine Prioritäten jedoch anders.
„Soll ich ihr sagen, dass sie wieder gehen soll?“
„Nein, nicht nötig. Ich will nicht, dass sie auf dem Gelände herum läuft.“ Ich war froh, dass Peter sie nicht angegriffen hatte und gerade deshalb durfte ich sie nicht wieder rausschicken. Ich versteckte mich neben dem riesigen Kleiderschrank, damit ich von dort aus noch die Zimmertür sehen konnte. Ein paar Sekunden später klopfte es an der Tür und Colette kam in den Raum geschneit, ohne auf eine Aufforderung gewartet zu haben.
„Hallo meine Süße, da bin ich, wie versprochen.“ Sie schien wieder ziemlich aufgedreht zu sein, aber so hatte ich sie beim letzten Mal auch erlebt.
„Hallo“, begrüßte Liz ihre Freundin.
Der Butler stand etwas unbeholfen in der Tür. „Tut mir Leid, Miss Ashton, ich wollte sie aufhalten, aber sie war wieder einmal schneller als ich.“
Colette gluckste. „Sie kennen mich, Newton. Niemand hält mich auf.“
Lesley lächelte. „Ist okay, ich habe sie sowieso erwartet. Danke, ich brauche sie heute auch nicht mehr.“ Er nickte nur und zog sich gleich darauf auch schon wieder zurück. Die Tür fiel ins Schloss und Colette ging zum Bett. Sie schmiss ihre Jacke und Tasche einfach auf den Boden und setzte sich neben Liz.
„Was ist mit dir, hast du Schmerzen? Du siehst ein wenig mitgenommen aus.“
Sie hatte ein wirklich gutes Gespür – zumindest für einen Menschen. Bevor Lesley darauf antworten konnte, trat ich langsam zu ihnen. „Ich fürchte, es liegt an mir“, gab ich zu.
Beide Frauen sahen mich gleichzeitig an und Colettes Verwunderung stand ihr deutlich ins Gesicht geschrieben, doch wenigstens fing sie nicht an zu schreien.
„Sieh mal einer an“, grinste sie mich unverwandt an. „Newton sagte, dass Liz allein wäre.“
„Nun, ich bin am Rosengitter hochgeklettert und über den Balkon hereingekommen. Es sollte eine Überraschung werden. Lesley wusste auch nicht, dass ich kommen würde.“
„Also die romantische Tour, so a la Shakespeare?“ Colette grinste noch breiter. Und ich musste zwangsläufig an meine erste und letzte Vorlesung vor einigen Wochen an der Universität von Cambridge denken. Sie hatte es vermutlich auch noch im Gedächtnis behalten.
„Oder lass mich raten: Ihr Vater hasst dich und du bist hier nicht wirklich willkommen, richtig?“
Ich nickte, da sie es wirklich ziemlich gut getroffen hatte. Colette stand vom Bett auf, als ich näher kam und obwohl ich ihre
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