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Erlösung

Erlösung

Titel: Erlösung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vanessa Dungs
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nicht aus, weil ich wusste, was mir Peter darauf antworten würde. In dieser Hinsicht waren wir nun einmal grundverschieden, für mich gab es weitaus wichtigere Prioritäten.
    „Weißt du, dass ich sogar darauf verzichten würde? Wenn ich dafür etwas anderes erhalten könnte, wäre es mir sogar egal. Du hast nämlich zu allem Überfluss noch etwas, das sehr kostbar ist. Etwas, das ich für nichts in der Welt eintauschen würde…“ Und plötzlich war der bedrückende Klang in seiner Stimme erneut da. Er riss sich ein Stück von seinem Shirt ab, das er unter seinem Ledermantel trug, und verband sich damit behelfsmäßig die Bisswunde an seinem Hals.
    „Ich verstehe nicht ganz“, erwiderte ich irritiert.
    Peter schüttelte den Kopf und sein kastanienbraunes Haar fiel ihm in die Stirn. „Wirklich nicht?“ Sein Blick richtete sich nach oben. „Du hast großes Glück, jemanden gefunden zu haben, der dich liebt und dem du vertrauen kannst. Das ist mehr wert als alle Kraft und Macht dieser Welt.“ Diese Worte lösten ein ungewöhnliches Gefühl in mir aus. Es war auf einmal so, als hätte ich ihn niemals wirklich richtig gekannt. Er hatte noch nie zuvor solche Ansichten gehabt, zumindest hatte er sonst immer alles getan, um zu verhindern, dass ich anders über ihn dachte. War er womöglich doch nicht so oberflächlich? Das war nach allem, was geschehen war nur schwer vorstellbar. Peter hob eine Hand und deutete mit seinem Finger auf Richard Ashton, der noch immer bewusstlos auf dem Boden lag.
    „Soll ich dir verraten, dass er es war, der mich geschlagen hat? Obwohl ich ein Vampir bin, konnte mich ein Mensch trotzdem übertrumpfen“, er lächelte wehmütig.
    „Erzähl´ es mir“, sagte ich ruhig. Irgendetwas in mir wollte die Wahrheit hören und Ashton würde sicherlich nicht sobald wieder das Bewusstsein erlangen, also hatten wir etwas Zeit gewonnen.
    Peter lehnte seinen Kopf an die Glastür. „Ich war so verliebt wie du“, seufzte er. „Und dann habe ich alles aufs Spiel gesetzt und schlussendlich verloren…“
    Ich blieb in meiner stehenden Position, damit ich unverzüglich reagieren konnte, falls es nötig sein würde. Niemand wusste, ob sich seine Laune wieder ändern würde. Doch mein einstiger Verbündeter fing tatsächlich an, mir einen Teil aus seinem Leben anzuvertrauen…
     
     
     Erste Sonnenstrahlen bereiteten sich darauf vor, den neuen Tag anzukündigen. Sie krochen schwerfällig über den Horizont und ich konnte ihre Kraft sogar in dem abgedunkelten Zimmer spüren. Es würde ein warmer Sommertag werden, den ich unmöglich hier verbringen konnte, auch wenn ich es mir sehnlich wünschte. Also raffte ich meinen matten Körper vom Stuhl hoch und ich räumte ihn wieder beiseite, damit niemand merkte, dass man ihn benutzt hatte. Dann ließ ich meine Hand noch einmal über das Bett gleiten und ich berührte die Hand der Frau, die schon so lange darin lag.
     „Evelyn“, ich beugte mich über ihren warmen Körper, um ihr einen seichten Kuss auf die Stirn zu drücken. Es war, als würde mein Herz jedes Mal aufs Neue stocken, wenn ich sie küsste, auch wenn mir klar war, dass es natürlich nicht möglich war. Mein Herz schlug schon seit so vielen Jahrzehnten nicht mehr in meiner Brust, aber ich fühlte dennoch den endlosen Schmerz, der sich in ihm festgesetzt hatte, seit Evelyn gegangen war. Sie hatte mir immer das Gefühl gegeben, als könnte ich noch lieben, so wie ein richtiger Mensch. Als wäre ich nicht bloß eine kalte Kreatur, die nach ihrem Blut hungerte, obwohl ich das tat. Jeden Tag, den ich in ihrer Nähe verbrachte. Aber das war nicht der Grund, warum ich in diesem Raum war und die ganze Nacht hier verbracht hatte. Ich tat es aus Reue …und aus Liebe. Denn letztendlich war ich der Grund, warum sie endlos zu schlafen schien. Sie lag nur meinetwegen seit fast zwei Jahren im Koma und es war ungewiss, ob sie jemals wieder aufwachen würde. Jener tragische Moment hatte sich in meinem Bewusstsein fest gebissen, als wäre es erst gestern geschehen. Ich hatte mich in einen Menschen verliebt. Ihr sogar offenbart, was ich war und sie dann irgendwann vor die folgenschwere Wahl gestellt; sie sollte sich für ein normales Leben entscheiden oder für den vorübergehenden Tod, damit wir für immer zusammen sein konnten. Gegen jede Regel, die ich sonst immer befolgt hatte. Gegen jede Vernunft, denn mein Herz hatte die Oberhand übernommen und es war nicht bereit, sie wieder aufzugeben. Die festen

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