Erlösung
Eindruck auf sie machen. Glücklicherweise.
„Dann kommen Sie morgen Abend wieder oder wann immer sie Zeit finden. Ich werde Miss Richwood heute noch ein paar Dinge erklären müssen. Dann soll sie sich ausruhen und morgen Früh fangen wir mit ein paar Tests an. Bis Sie dann hier sind, sollte sie den ersten Schock ganz verdaut haben und Besucher empfangen können.“ Sie zwinkerte mir zu. „Ich bin zuversichtlich.“ Ihre sympathische und optimistische Art steckte mich beinahe ein wenig an. Ich konnte zumindest nicht verhindern, dass sich meine Lippen automatisch zu einem Lächeln kräuselten.
„Danke, Doktor, ich weiß das zu schätzen.“ Es war mein Ernst. Ich fand, dass es eine nette Geste von ihr war, schließlich konnte ich nun den ganzen Krankenhausformalitäten entgehen. Dass ich später noch einmal hierher kommen würde, wusste sie ja nicht. Ich musste Evelyn sehen, musste mit ihr allein sein. Ich würde sie noch einmal besuchen, ohne dass mich irgendeine andere menschliche Seele zu Gesicht bekommen würde. Schlimm genug, dass ich einmal aufgefallen war, mein Fehltritt sollte einmalig bleiben.
Ich verabschiedete mich von der Ärztin und ich verließ sofort die Station, ohne noch einmal einen Blick zurückzuwerfen. Wenn ich Evelyn angesehen hätte, wäre ich wohl nicht stark genug gewesen, um so einfach zu gehen.
Draußen konnte die seichte Nachtluft mein erhitztes Gemüt nicht lindern, im Gegenteil, je mehr ich mich von meiner Freundin entfernte desto wütender wurde ich. Es kostete mich meine gesamte Selbstbeherrschung, damit ich nicht wahllos über irgendeinen Menschen herfiel, doch letztendlich war mir klar, dass Blut diese Leere in meinem Inneren nicht füllen konnte. Ich musste mir eingestehen, dass ich bloß Angst hatte. Was würde nur werden, falls Evelyn sich nicht mehr an mich erinnerte?
„Pah“, spie ich frustriert aus. Das würde nicht passieren… Mit einem undefinierbaren Gefühl in der Magengegend, dass ich nur als düstere Vorahnung registrieren konnte, kehrte ich in den vorübergehenden Unterschlupf zurück. Nicholas war wie erwartet da. Er hockte schon wieder emsig über irgendwelchen Unterlagen und studierte Lagepläne. Wenn ich nur seine Besonnenheit und Weitsicht hätte, aber in dieser Hinsicht waren wir uns nicht besonders ähnlich. Für mich wurde es schon nach einer kurzen Weile beinahe unerträglich, Geduld zählte so gar nicht zu meinen Stärken. Ich hockte mich zuerst auf das durchgesessene Sofa und starrte teilnahmslos auf den Fernseher, was mich bereits nach wenigen Minuten nervte. Also versuchte ich mich mit unzähligen Liegestützen abzulenken, aber je länger ich warten musste desto aufgewühlter wurde ich, da half auch keine Bewegung. Möglicherweise würde mich ein Kampf auf andere Gedanken bringen, doch immer wenn man einen brauchte, wurde man sowieso nur enttäuscht. Und Nicholas war nicht dumm, er war einer der intelligentesten Vampire, die ich kannte. Ihm entging meine unruhige Art sicherlich nicht, aber er beobachtete mich nur aus den Augenwinkeln und schwieg. Vielleicht war es ein Test seinerseits? Irgendwann würde es ohnehin auffallen, also entschied ich mich in die Offensive zu gehen.
„Ich muss etwas mit dir besprechen“, begann ich langsam und versuchte dabei betont beiläufig zu klingen.
Nicholas legte die Unterlagen beiseite und lehnte sich im Sessel zurück. „Okay, schieß´ los!“
„Nun, wir sind ja bereits wieder seit einigen Monaten zusammen unterwegs, die Rate der unerwünschten Neuankömmlinge hält sich in Grenzen“, ich musste mich zusammenreißen. Ich war dabei, um den heißen Brei herumzuschwafeln und er würde über kurz oder lang merken, dass ich nach einer Ausrede suchte. „Ums kurz zumachen, ich bin einfach an diesem Punkt, wo ich eine neue Auszeit brauche.“ Es hatte tatsächlich schon mal so einen Vorfall gegeben. Ich hatte mich ein paar Wochen abgesetzt, um ein wenig für mich zu sein. In erster Linie war ich immer noch ein Einzelgänger, auch wenn ich Nicholas wirklich schätzte, benötigte ich trotzdem ab und an eine einsamere Phase. Dass ich diese Zeit seit Monaten mit einer Frau verbrachte, brauchte er ja nicht zu wissen.
Er fing an zu schmunzeln. „Also, willst du eigentlich nur Urlaub?“
„Bin ich ein Mensch?“, gab ich lässig zurück.
„Schon klar.“ Sein Grinsen wurde breiter. „Ich kläre das mit Vincent, aber ich denke, dass es kein Problem sein wird, solange die Lage so bleibt und du nicht für Monate
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