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Erlösung

Erlösung

Titel: Erlösung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vanessa Dungs
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dadurch größtenteils den Weg. Sollte ich ihn einfach beiseite stoßen? Mein Gefühl sagte mir, dass es zu gefährlich war, möglicherweise würde dann der gesamte Raum einstürzen. Anstatt mich aber auch einfach an ihm vorbei zu zwängen, änderte ich ein wenig die Richtung und steuerte halblinks auf eine Wölbung zu, die nach den verrotteten Überresten einer Tür aussah. Ein einziger präziser Schlag reichte aus und sie zersplitterte in etliche Teile. Dahinter befand sich ein großer Raum. Kein Lichtstrahl drang bis hierher, aber ich konnte trotzdem alles erkennen. Es musste so etwas wie eine Art Thronsaal oder dergleichen abgegeben haben. Was die Größe anging, hätten sich hier zumindest mit Leichtigkeit hunderte Menschen aufhalten können, ohne sich berühren zu müssen.
    Eine schnelle Bewegung in meinen Augenwinkeln ließ mich herumwirbeln. Da war noch ein Vampir und dieser war bedeutend stärker als alle anderen, die bisher meinen Weg gekreuzt hatten. Das Gefühl von Kraft war sofort die einzige Präsenz, die nicht nur die Luft beherrschte. Es umspülte mich wie die Wellen auf tobender See, hüllte mich blitzartig ein, als könnte es mich mit sich fortschwemmen. Elisabeth. Es stand außer Frage, dass sie die meiste Macht hier besaß. Noch mehr als das Oberhaupt des Rats? Die Frage blieb unbeantwortet. Ein Vampir sprang übereilt auf meinen Rücken, doch, noch ehe er sich festklammern konnte, hatte ich ihn schon wieder herunter gerissen. Ich warf ihn über meinen Kopf und er landete hart auf dem Boden. Keine Ahnung, wo der hergekommen war, aber ich durfte mich nicht ablenken lassen. Es war zwar nur ein schwacher Artgenosse, doch es hätte gefährlicher für mich ausgehen können. Bevor er um Gnade flehen konnte, packte ich seinen Kopf mit beiden Händen. Sein Genick krachte, als ich es mit einem schwungvollen Ruck in meine Richtung drehte. Ich ließ ihn los und er fiel zu Boden, nicht mehr als ein großes Stück totes Fleisch. Er würde sich nicht mehr erholen, denn er war zu jung und unerfahren.
    „Wie sein Schöpfer…“, Elisabeths Stimme war so kristallklar, dass sie sich umgehend in mein Bewusstsein drängte. Schön und verführerisch und gleichzeitig so unverkennbar falsch, wenn man bedachte, was für ein Teufel sie doch war. Als ich mich in ihre Richtung drehte, sah sie mich direkt an. Konnte sie mich trotz Maske sehen oder war es nur mein Blut, das mich verraten hatte?
    Die Zeit schien für eine Sekunde stehen geblieben zu sein und ich konnte meine Augen nicht von ihr abwenden. Sie wirkte wie eine Frau aus einem Gedicht, eine wahr gewordene Poesie. Dunkle Locken umspielten ihr zartes Gesicht wie ein weicher Schleier. Sie hatte einen schlanken Körper, der durch ihre eng anliegende Kleidung mehr als makellos erschien und ihre fast silberfarbenen Augen glänzten wie flüssiges Metall. Ich spürte ihren durchdringenden Blick auf mir, er brannte sich regelrecht in mein Bewusstsein, gelangte beinahe bis in meine Seele. Auch wenn sie nicht meine direkte Schöpferin war, so konnte ich dennoch das Band unserer Verbindung fühlen. Wie sie scheinbar nach mir rief, wie mein Innerstes sich nach ihr verzehrte. Konnte es etwas geben, das noch betörender war? Du lieber Himmel!
    Wie sehr ich mich für diese Empfindung hasste. Ich liebte doch meinen Engel. Natürlich. Und ich wollte nur Liz. Aber Elisabeths Erscheinung zog mich trotzdem unwillkürlich in ihren Bann, egal wie sehr ich mich auch dagegen sträubte. Ihr gesamtes Antlitz glich mehr denn je Lesleys. Ebenso wie sie wirkte sie sanft und fast verletzlich, aber das war sie nicht. Elisabeth war eher ein gefallener Engel, in dessen Augen man den Hass von Jahrhunderten sehen konnte. Und als sie plötzlich zu lächeln anfing, wusste ich, dass sie mir in vielerlei Hinsicht überlegen war. Sie hatte ganz gewiss auf uns alle gewartet. Sie hatte gewusst, dass wir kommen würden. Und sie war bereit. Der Gedanke war kaum vergangen, da passierte es. Alles ging sehr schnell. Ihre Attacke traf mich nicht wirklich unvorbereitet und trotzdem hatte ich keine Chance, um ihr auszuweichen. Ihre kleine Faust traf genau meine Brust und ein knirschendes Geräusch signalisierte mir, dass mindestens eine Rippe angebrochen war. Der Schmerz zuckte kurz durch meinen Körper, doch er war sofort wieder vergessen. Eine Lappalie, die ich ignorieren konnte. Mein Gleichgewicht war trotzdem gestört, ich taumelte nach hinten in den Raum, den ich kurz zuvor noch durch die verrottete Tür

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