Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Erloschen

Erloschen

Titel: Erloschen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alex Kava
Vom Netzwerk:
wenig über die Macken oder Launen des anderen. Patrick war lange Zeit auf sich allein gestellt gewesen, schon als Kind. Seine Mom hatte zwei Jobs gehabt und Patrick sich selbst überlassen, sobald er das gesetzliche Mindestalter erreicht hatte. Er wuchs als typisches Schlüsselkind auf.
    Ohne Frage war sie eine gute Mutter, bis heute. Und er hatte bald verstanden, dass sie für sie beide so viel arbei tete. Entsprechend war er früher erwachsen geworden als die anderen Kinder in seinem Alter. Während sie nach der Schule Videospiele gespielt hatten, musste Patrick Wäsche sortieren und sich sein eigenes Abendessen zubereiten. Er wusste über Dinge Bescheid, von denen seine Schulkameraden keine Ahnung hatten. Seine Mom hatte ihm erst vor Kurzem gebeichtet, dass es ihr leidtäte, ihm keine richtige Kindheit ermöglicht zu haben.
    Von Maggie wusste er, dass auch sie schon mit zwölf Jahren für sich selbst hatte sorgen müssen; allerdings bemerkte Patrick eine Traurigkeit in ihrem Blick und ihrer Stimme, die verrieten, dass es bei ihr anders gewesen war.
    Er war froh, dass sie ihn bei sich wohnen ließ. Heute Nacht hätte er es ihr nicht mal verübelt, wenn sie ihm den Briefbeschwerer über den Schädel gezogen hätte. Es war total unmöglich von ihm gewesen, unangekündigt mit ten in der Nacht aufzukreuzen. Aber er war zu wütend gewesen, um klar zu denken. Immerhin hatte er noch die Geistesgegenwart besessen, ihr zu sagen, dass sie den Auftrag früher abgeschlossen hätten, als wäre nichts weiter dabei. Als wäre es die Wahrheit.
    Dabei war er früher nach Hause geschickt worden und konnte wohl von Glück reden, dass sie ihn nicht sofort gefeuert hatten.
    »Mr. Murphy.« Die Empfangsdame sprach so leise, dass Patrick sich fragte, ob sie ihn schon vorher angesprochen und er sie nur nicht gehört hatte.
    Er wollte aufspringen, bremste sich aber noch rechtzeitig. Seine Nerven lagen blank, dennoch schaffte er es, nur aufzublicken und auf seinem Stuhl weiter nach vorn zu rücken.
    »Mr. Braxton kann Sie jetzt empfangen.« Lächelnd nickte sie zu der Tür rechts von ihm.
    Dann wandte sie sich ihrem klingelnden Telefon zu, während Patrick sie anstarrte und auf weitere Anweisungen wartete.
    Er stand auf und blickte ratlos zur geschlossenen Tür hinüber. Sollte er anklopfen? Die Sekretärin saß mit dem Rücken zu ihm, sah auf ihren Computermonitor und telefonierte. Nicht mal sie beachtete ihn noch. Da er sowieso schon in Schwierigkeiten steckte, beschloss er, einfach anzuklopfen.
    »Herein!«, rief eine Stimme mit Südstaatenakzent.
    Weder die Stimme noch der Mann, der neben einem Designer-Schreibtisch aus Edelstahl und Glas stand, waren so, wie Patrick es sich vorgestellt hatte. Durch ein Panoramafenster blickte man auf Baumwipfel und blauen Himmel, und Braxton sah aus, als würde er vor einer geradezu unecht idyllisch wirkenden Fotokulisse posieren.
    Der hünenhafte Mann mit dem silbernen Haar streckte Patrick eine massige Hand hin.
    »Sie müssen Murphy sein.«
    Er drückte Patricks Hand überraschend fest.
    »Ja, Sir.«
    »Ich bin in einer Stunde zum Golf verabredet, also entschuldigen Sie bitte meinen Aufzug.« Der Südstaaten akzent ließ das letzte Wort wie zwei klingen: »Auf Zug«. »Meine Frau kauft mir immer diese Hemden mit dem kleinen Polospieler drauf.«
    Das Polohemd war hellblau, die Kakihose tadellos gebügelt, und die Ledermokassins waren auf Hochglanz poliert.
    »Sie hofft anscheinend, dass damit selbst ein alter Knacker wie ich noch ein bisschen flott aussehen kann.« Wieder dehnte er die Silben, sodass sie sich seltsam verzerrt anhörten.
    Er schenkte Patrick ein entspanntes, ungekünsteltes Lächeln und bedeutete ihm, auf dem Stuhl vor dem Schreibtisch Platz zu nehmen.
    »Sind Sie verheiratet?«
    Die Frage überraschte Patrick, doch er gab sich Mühe, es nicht zu zeigen.
    »Nein, Sir.«
    Dies war nicht das Gespräch, das er schon den ganzen Morgen im Geiste durchgespielt hatte.
    »Wenn Sie die Richtige finden, halten Sie sie fest.«
    Braxtons Augen waren auf ein gerahmtes Foto in der linken Ecke des blitzblanken Glasschreibtisches gerichtet. Die Frau war jünger und kleiner als ihr Ehemann, braun gebrannt, mit sehnigen Armen und Lachfältchen in den Augenwinkeln. Beide trugen Kakihosen und Polo hemden, ihres pink, seines eine andere Schattierung des blauen von heute.
    Patrick hatte keinen Schimmer, was er antworten sollte, also sagte er: »Das merke ich mir, Sir.«
    Nun sah Braxton ihn an. »Das

Weitere Kostenlose Bücher