Erloschen
sollten Sie auch, Junge.« Alle Jovialität war wie weggeblasen. Ernst, beinahe mit einem Hauch von Traurigkeit, sagte er: »Offen gesagt ist das der beste Rat, den ich geben kann. Findet man etwas Gutes, sollte man es nicht mehr loslassen.«
Unvermittelt tippte er mit dem Zeigefinger auf die einsame Aktenmappe vor sich. »Na, dann sehen wir uns mal an, was wir hier haben.« Er klappte die Mappe auf.
Patricks Hände begannen zu schwitzen. Wusste der Mann etwa noch gar nicht, warum er hier war? Er bemerkte, dass er den Atem anhielt, während er zusah, wie Braxton eine Lesebrille aufsetzte und die Papiere durchblätterte.
»Ein Masterabschluss in Brandschutz«, sagte Braxton ohne aufzusehen. »Eindrucksvoll.«
Sollte das ein Bewerbungsgespräch sein? Patrick hatte den Job doch schon. Die Frage war, würde er ihn behalten? Oder hing die Bestrafung von seiner Ausbildung ab? Vielleicht hatte Braxton entschieden, Patrick milde zu behandeln, weil er wusste, wie ernst es ihm damit war, ein richtiger Feuerwehrmann zu werden. Der Mann musste seine Akte doch schon durchgesehen haben, oder nicht?
»Sie haben sich Ihr Studium durch Kellnern finanziert. Sogar freiwillig auf einer Feuerwache gearbeitet. Sehr bewundernswert.«
Patrick lehnte sich ein wenig zurück, hockte nicht mehr ganz auf der Stuhlkante und legte die verschwitz ten Hände auf seine Knie. All die Überstunden und durch gemachten Nächte zahlten sich endlich aus. Jemand er kannte, was er geleistet hatte. Nun konnte er wieder atmen und musste an sich halten, nicht vor Erleichterung aufzuseufzen.
»Sie wollen unbedingt Feuerwehrmann werden, was?« Braxton blickte auf und lächelte verhalten.
»Ja, Sir.«
Patrick war gerade so entspannt, dass es ihn völlig unvorbereitet traf.
»Junge, wenn ich Sie noch einmal erwische, wie Sie das Haus von irgendeiner Schwuchtel retten, die uns nicht bezahlt, werden Sie nicht bloß keinen Job mehr haben, sondern auch feststellen, dass Sie nicht mal mit diesem schicken Abschluss einen neuen kriegen. Und wissen Sie, warum? Weil ich dafür sorgen werde, dass niemand – und ich meine niemand – Sie je wieder ein stellt, nicht mal als Schornsteinfeger und schon gar nicht als Feuerwehrmann.«
Beim Lächeln zeigte er strahlend weiße Zähne, doch seine blauen Augen waren eiskalt, als er ergänzte: »Glauben Sie, dass Sie sich das merken können, mein Junge?«
»Ja, Sir.«
12
Washington , D.C.
R. J. Tully befühlte die kleine Kassette in seiner Manteltasche. Die Kamerafrau hatte sie ihm zu bereitwillig ausgehändigt, ihm sogar angeboten, dass er die Aufzeichnung der Liveübertragung im Sender ansehen könnte.
Als Tully die Leiche neben dem Müllcontainer betrachtete, bezweifelte er, dass auf dem Film viel zu sehen war. Dieser Mörder hatte seine schmutzige Arbeit schon einige Zeit vor dem Feuer erledigt. Tully brauchte keine Experten, um die Spur des Brandbeschleunigers zu erkennen, die an der Gebäudeseite entlang verlief. Schwarzer Ruß bedeckte die Ziegelwand, und das Benzin war noch zu riechen.
Dies und der Zeitpunkt der zweiten Explosion ver rieten, dass beide Brände genau geplant worden waren. Und der Brandstifter war womöglich schon längst weg. Es konnte gut sein, dass er zu Hause vor dem Fernseher saß, in seinem behaglich warmen Wohnzimmer, und genüsslich dasselbe Filmmaterial betrachtete, das Tully in der Tasche trug. Doch sein Gefühl sagte Tully etwas anderes. Er glaubte nach wie vor, dass der Täter heute Nacht hier war, ihnen zuguckte und sich über das Chaos freute.
»Wir können nicht automatisch annehmen, dass sie im Lagerhaus war.«
Ach was?, wäre es Tully beinahe herausgerutscht.
Er hatte Brad Ivan, den Ermittler der ATF (der Behörde für Alkohol, Tabak, Schusswaffen und Sprengstoffe) erst letzte Woche kennengelernt, und bereits jetzt ging ihm dessen Angewohnheit auf die Nerven, überflüssige Feststellungen zu treffen. Die verstörend nasale Stimme half da auch nicht unbedingt. Wenn Ivan nachdachte, verschwand seine Oberlippe. Er sog sie hinter die unteren Schneidezähne: eine nervöse Geste, die ihm das Aus sehen eines kauenden Pferdes verlieh.
»Ich glaube nicht, dass er sie hier getötet hat«, sagte Racine, und beide Männer sahen sie an. Sie brauchte einen Moment, ehe sie begriff, dass sie auf eine Erklärung warteten, dann wies sie mit dem Daumen über ihre Schulter zum Ende der Gasse.
»Dieser ganze Block ist wie ein Hotel für Obdachlose«, sagte sie, als könnte sie nicht fassen,
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