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Erloschen

Erloschen

Titel: Erloschen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alex Kava
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könnte. Sie durch suchten sogar den Müllcontainer, wühlten sich durch den Dreck. Er wäre gerne näher herangegangen, um alles zu sehen.
    Seine Neugier war unstillbar. Nicht zuletzt deswegen hatte er dieses kleine Hobby aufgenommen. Ja, es war quasi ein Steckenpferd, auch wenn er erst vor Kurzem begonnen hatte, einige Details genauer unter die Lupe zu nehmen. Er hatte erkannt, welche Befriedigung es ihm verschaffte, die Morde Wochen später noch einmal zu rekapitulieren.
    In sein Tagebuch notierte er so viele interessante Kleinigkeiten, wie er konnte. Es war viel leichter, sich zu verbessern, wenn man die Einzelheiten im Nachhinein durchging. Und manchmal war die Erinnerung fast so aufregend wie die Tat selbst.
    Nun, nicht ganz so befriedigend. Aber es half ihm über die tage-, wochen-, bisweilen monatelangen Durststrecken, in denen er nichts unternehmen konnte.
    Erst heute Morgen, als sie die Leiche in der Gasse fanden, hatte er sein Tagebuch hervorgeholt und die Ein träge über einen Mord vor einem knappen Monat auf geschlagen. Er las seine Notizen, murmelte sie wie ein Gedicht oder einen Psalm vor sich hin. »Eiskalte Nacht. Dampf steigt auf, wenn man die Gedärme aus der Leiche zieht. Das Blut an meinen Händen ist herrlich warm.«
    Es klang wirklich poetisch.
    Sein Tagebuch half ihm, seine Neugier zu zähmen und geduldig zu sein. Selbst jetzt noch wirkte die Erinnerung an jenes Bild und an das Gefühl von Blut auf seiner Haut beruhigend auf ihn. Sie genügte, dass er sich nicht zu etwas Unbedachtem hinreißen ließ, um mehr In formationen zu bekommen. Schließlich wusste er, wie weit er sich einem Tatort nähern durfte, wo er stehen und sich bewegen konnte, ohne Aufmerksamkeit zu erregen. Es gab einen Punkt, an dem es verdächtig wurde, sich allzu unauffällig unter die Menge zu mischen, und er wusste inzwischen ziemlich genau, wann dieser Punkt erreicht war.
    Er beobachtete die Gasse, bis sie die Leiche wegbrachten. Wie kurios sie in diesem Leichensack aussah – wie in einem schwarzen Kokon. Er mochte Leichensäcke. Sie waren so viel besser als Müllsäcke, robuster und prakti scher. Aus ihnen konnte nichts herauslaufen, und er hätte die Gewissheit, dass sein Wagen sauber blieb. Er fragte sich gerade, wo er so einen kaufen könnte, als die Polizistin zurückkam.
    Vorhin hatte er gesehen, wie sie in einen Krankenwagen stieg. Es hatte ihm ein Lächeln entlockt, denn er war so nahe, dass er für einen kurzen Moment ihr Gesicht sah. Sie war nicht froh darüber, dass ihr der lange Typ in dem Trenchcoat beim Einsteigen half. Und sie freute sich offen sichtlich auch nicht, in einen Krankenwagen zu steigen.
    Selbstbewusst und dickköpfig. Irgendwie wie er. Eine Rebellin. Eine verwandte Seele.
    Er musste sie unbedingt eingehender betrachten.

21
    Tully gefiel nicht, wie fertig Maggie aussah. Ihre Haut war blass, ihr Blick ein bisschen glasig. Und er merkte, dass es Racine ebenfalls nicht entgangen war. Maggie behauptete, dass sie »mit Platt einen Happen gefrühstückt« hätte. Platt hatte sie zum Tatort zurückgebracht, was Tully nicht recht glauben wollte. Wie kam Benjamin Platt, seines Zeichens Army Colonel, Arzt und Mr. Oberkorrekt, auf die irrwitzige Idee, dass Maggie in der Lage war, weiter zuermitteln?
    Andererseits konnte keiner, nicht einmal der gute Dok tor, Maggie sagen, was sie tun oder lassen sollte. Dass sie vorhin auf Tully gehört und mit ins Krankenhaus gefahren war, durfte man als einmaligen Ausreißer auf der O’Dell-Sturheitsskala werten.
    Tully hatte sie nicht aus den Augen gelassen, während sie mit Kunze telefonierte. Ihr gemeinsamer Boss hatte sie auf seine übliche Achterbahnfahrt geschickt, bevor er sie schwindlig und rasend wütend wieder auf den Boden zurückholte. Aber rasende Wut war allemal besser als der leere Blick zuvor.
    »Du wusstest doch, dass er dich nicht ungeschoren davonkommen lässt«, sagte Tully. »Mit mir hat er letztes Jahr dasselbe gemacht. Bring’s einfach hinter dich.«
    Noch während er sprach, dachte er, dass Kunze keinen schlechteren Zeitpunkt hätte erwischen können. Sie wirkte immer noch verletzt, und jetzt musste sie sich mit neuen Wunden herumplagen. Wenn das kein Schlag unter die Gürtellinie war.
    Nach dem Tod von Assistant Director Cunningham im letzten Jahr war Tully suspendiert worden, weil er den Mann erschossen hatte, der Cunningham, Maggie und Hunderte andere dem Ebola-Virus ausgesetzt hatte. Eigent lich sollte Kunze sauer auf Tully sein. Der

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