Erloschen
schien topfit.
Seine neueste Obsession flimmerte über die Monitore. Es war zu spät, ihn davon abbringen zu wollen – er hatte sich in die Sache verbissen wie ein Hund in einen Knochen. Trotzdem hatte Sam das Gefühl, dass diese Geschichte anders als die anderen war, in die er sich hineingesteigert hatte. Sie könnte ein Glanzpunkt seiner Karriere oder deren abruptes Ende sein. Aber jeder Kommentar dazu wäre pure Zeitverschwendung. Sie kannte Jeffery Cole gut genug, um zu wissen, dass er immer machte, was er wollte.
Sam ging zur Tür, ehe er es sich anders überlegen konnte. Bevor sie das Studio verließ, warf sie noch einen letzten Blick auf die Monitore mit den unterschiedlichen Aufnahmen von Agent Margaret O’Dell.
19
»Mir geht es gut«, wiederholte Maggie ihr Mantra gegenüber dem Chef, während das Frühstück in ihrem Bauch einen unschönen Salto vollführte. »Es waren nur ein paar Stiche.«
Tully sah sie stirnrunzelnd an, während Racine auf Abstand ging. Na gut, sie war also nicht besonders überzeugend.
»Ich habe gehört, dass Sie in die Notaufnahme gebracht wurden. Ist wirklich alles okay?«
Hatte er keine Nachrichten gesehen? So besorgt wie er sich anhörte, hatte er offenbar noch nichts mitbekommen.
»Falls dieser Auftrag zu …« Er schien nach dem korrekten Wort zu suchen, »zu schwierig ist, gemessen an den Umständen …« Und mehr kam nicht.
Das passte überhaupt nicht zu Kunze. Seit über einem Jahr maßregelte, überwachte und beleidigte er sie. Mehrmals hatte Maggie schon daran gedacht, sich zur Homeland Security versetzen zu lassen, wie Deputy Director Charlie Wurth vorgeschlagen hatte. Mit ihm hatte Mag gie bei mehreren Fällen zusammengearbeitet, und sie mochte ihn, respektierte ihn und traute ihm. Drei Dinge, die sie von Kunze nicht behaupten konnte.
Andererseits würde die Homeland Security in vielerlei Hinsicht einen Neuanfang für sie bedeuten. Sie hatte hart gearbeitet und schwer gekämpft, um dahin zu kommen, wo sie war. Seit langer Zeit war sie vor nichts mehr weggelaufen, und deshalb beschloss sie, es jetzt auch nicht zu tun. Sie ließ sich nicht von Kunze vergraulen.
Nach dem Fall in Nebraska im letzten Herbst schien Kunze milder gestimmt. Er hielt sich zurück und verzich tete auf seine dauernden Kritteleien. Wüsste Maggie es nicht besser, hätte sie schwören können, dass er ein bisschen weicher, ja, beinahe versöhnlich geworden war.
Als sie nun wartete, ob er seinen Satz noch been den wollte, begegnete sie Tullys Blick, aus dem dasselbe Misstrauen sprach, das sie empfand. Natürlich würde es mit Kunze nicht so einfach werden. Vertrauen musste verdient werden, und Kunze genoss ihres noch längst nicht. Unwillkürlich wurde sie wachsamer, wie vorhin bei Racine.
»Mit dem Fall komme ich klar, Director Kunze«, log sie unverblümt. Sie brachte es nach wie vor nicht fertig, ihn mit »Sir« anzureden.
»Schön, das freut mich. Eine meiner Aufgaben ist schließlich, dafür zu sorgen, dass es Ihnen gut geht.«
Maggie verzog das Gesicht, umklammerte ihr Handy fester und wappnete sich für den nächsten Tiefschlag, der auch prompt kam. Typisch Kunze.
»Und um sicherzugehen, dass Sie auf dem Damm sind, habe ich einen Termin für Sie gemacht«, sagte er. »Ihre erste Sitzung für die psychologische Evaluation ist morgen Nachmittag um vier. Ich überlasse es Dr. Kernan zu entscheiden, wie oft und wie lange Sie zu ihm gehen.«
»Dr. Kernan? Dr. James Kernan?«
»Richtig. Falls Sie irgendwelche Fragen haben, melden Sie sich in meinem Büro.«
Noch mehr Stille, allerdings diesmal endgültig, denn Kunze hatte aufgelegt.
Maggie musste zugeben, dass er gut war. Damit hatte sie nicht gerechnet. Und noch viel weniger mit James Kernan. Wer hätte gedacht, dass der alte Griesgram überhaupt noch lebte? Es würde noch weit schlimmer werden, als sie befürchtet hatte.
20
Sie war zurück. Das wunderte ihn. Noch mehr wunderte ihn, dass er sich erregt fühlte. Das war ihm seit Ewigkeiten nicht passiert.
Den Vormittag über hatte er zugesehen, wie die Er mittler in die Seitengasse hinein- und wieder herausstolziert waren. Ein seltenes Vergnügen, das er sich ausnahmsweise gönnte. Und das Risiko, das er mit dem Ablegen der Leiche eingegangen war, hatte sich wahrlich gelohnt.
Könnte er doch nur sehen, was sie in den braunen Papiertüten heraustrugen. Wie konnte da so viel zu finden sein? Aber natürlich sammelten sie alles ein, was einen Hinweis auf die Brandursache liefern
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