Erloschen
hinzufügte: »Und meine Familie versteht nicht, wieso ich kein Fleisch esse.«
»Dann ist das Gloria Dobson?« Maggie zeigte auf Knochenstücke und etwas, das wie mehrere Zähne aussah.
»Ja, zumindest das, was wir von ihr haben. Es fehlen diverse Knochenfragmente. Wahrscheinlich wurden sie am Tatort zurückgelassen.« Sie tippte an die Zähne. »Die habe ich hinten im Schädel und im Hals gefunden. Einige Teile der Gesichtsknochen und einzelne Zähne waren in ihr Gehirn eingedrungen.«
Maggie zog sich einen Hocker heran und sah genauer hin.
»Ich versuche, diese Teile zu reinigen und zu sortieren, bevor ich sie aus der Kühlkammer hole.«
Maggie betrachtete die Knochen- und Zahnstücke, die Dr. Ling gereinigt und wie Puzzleteile ausgelegt hatte.
»Ist es überhaupt noch möglich, die Tatwaffe zu er mitteln?«
Ling hielt inne, legte den Knochen beiseite, an dem sie arbeitete, und nahm das größte Fragment auf dem Tablett auf. Sie drehte es hin und her, fand, was sie suchte, und beugte sich über den Tisch, um es Maggie zu zeigen.
»Sehen Sie diese Zickzack-Bruchlinien?« Mit ihrem langen Zeigefinger malte sie die Linien nach, die wie Kratzer im Knochen aussahen.
»Ja.«
»Und sehen Sie, dass der Knochen ein bisschen schief ist?« Sie hob ihn ins Licht.
Es war nur eine ganz leichte Krümmung, aber Maggie nickte.
»Ein Knochen verbiegt sich, wenn man richtig fest draufschlägt. Erst verbiegt er sich, dann bricht er. Wäre der schiefe Bereich rundlich eingedellt, hätte ich auf eine Art Kugelhammer getippt – übrigens das beliebteste Werkzeug zum Schädeleinschlagen. Diese Waffe hatte definitiv eine größere Schlagfläche, wie man am Abdruck erkennt. Und sie muss schwerer gewesen sein, denn sie hat den Knochen angekratzt. Ich denke, dass wir alle läng lichen Waffen wie Wagenheber oder Golfschläger ausschließen können. Die hinterlassen lange, schmale Einkerbungen.
Was er auch benutzt hat – und ich gehe mal davon aus, dass er bei einem Werkzeug geblieben ist und nicht zwischendurch gewechselt hat –, es muss eine beachtliche Spitze oder einen großen Kopf gehabt haben, um solche Wunden hervorzurufen. Die Kratzer und Löcher in einigen der Knochen deuten außerdem auf so etwas wie eine Kralle oder einen spitzen Haken hin.«
»Stan sagte, das Gewebe sieht wie ausgerissen aus.«
»Ja, ich wette, am Tatort finden sich noch reichlich Streuungen. Nur kennen wir den ja leider nicht, also blei ben uns nichts als Mutmaßungen.«
Streuungen waren unter anderem Blut und Gewebe an Wänden und Decken, die entstanden, wenn mit einer Waffe mehrfach zum Schlag ausgeholt wurde. In diesem Fall stimmten beide Experten darin überein, dass die Waffe nicht bloß Knochen gebrochen und zersplittert hatte, sondern auch in das Gewebe eingedrungen und Stücke davon herausgerissen hatte.
»Was ist mit einem Kuhfuß?«, fragte Maggie.
»Der müsste schon sehr lang sein, um eine solche Schlagkraft zu entwickeln. Ich denke da eher an etwas Größeres. Vielleicht ein Stemmeisen.«
Einige Minuten lang saßen sie beide stumm da. Dr. Lings Hände waren vollkommen ruhig.
»Was ist mit dem anderen Opfer, dem verbrannten Schädel, der im Gebäude gefunden wurde?«
»Ich habe fast fünf Stunden lang die Asche durchkämmt. Es gab keine weiteren Knochen.«
»Kann der Rest der Leiche im Feuer verbrannt sein?«
»Einen Körper vollständig zu verbrennen ist ziemlich schwierig, selbst wenn man einen Brandbeschleuni ger einsetzt. Sogar bei der Kremation bleiben Knochen reste übrig, die mechanisch zu Pulver gemahlen werden. Ich hätte eigentlich ein paar lange Knochen oder zumindest Teile von ihnen erwartet. Und ich habe keine anderen Zähne gefunden, obwohl Zähne gar nicht verbrennen.«
»Meinen Sie, dass dieses Opfer auch woanders getötet wurde?«
»Davon würde ich ausgehen. Das Trauma wurde ihm wahrscheinlich nicht in dem Gebäude beigebracht, ebenso wenig wie dort der Kopf abgetrennt wurde.«
»Dieselbe Waffe?«
»Kann ich noch nicht sagen.«
»Männlich? Weiblich?«
»Männlich. Weiß. Das ist leider auch schon alles, was ich Ihnen zu diesem Zeitpunkt sagen kann.«
Stille. Maggie hörte das Blubbern des kochenden Wassers. Irgendwo sprang eine Maschine an und begann zu summen.
»Es war ein brutaler Mord«, sagte Ling schließlich mit ausdrucksloser Miene, während sie auf das Tablett mit den Knochen und Zähnen, den Fragmenten von Gloria Dobson sah. »An einigen der Knochen, die ins Hirn getrieben wurden, war
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