Erlosung
beschwerlichen Weg nach
Kalifornien machten, um sich dort als Wanderarbeiter zu verdingen.
Ella suchte nach den angestrichenen Stellen, von denen Forell gesprochen hatte. Sie las: Manche Landbesitzer waren freundlich, weil sie das, was sie taten, ungern taten, und manche waren böse, weil es ihnen zuwider war, grausam zu sein, und manche waren kühl, weil sie schon vor langer Zeit herausgefunden hatten, dass man kein Landbesitzer sein kann, ohne kühl zu sein. Und sie allesamt waren in etwas befangen, das gröÃer war als sie selbst. Manche von ihnen hassten die Zahlen, von denen sie getrieben wurden, manche fürchteten sich, und manche beteten die Zahlen an, weil sie ihnen eine Zuflucht gaben vor Gedanken und Gefühlen.
Wenn eine Bank oder eine Finanzgesellschaft das Land besaÃ, so sagten die Männer, die gekommen waren: Die Bank â oder die Gesellschaft â wünscht â braucht â befiehlt â muss haben â als sei die Bank oder die Gesellschaft ein Ungeheuer mit Gedanken und Gefühlen, das sie verführt hatte. Und jene, die das sagten, wollten keine Verantwortung für die Banken und die Gesellschaften auf sich nehmen, weil sie Menschen und Sklaven waren, während die Banken Maschinen waren und Herren zur gleichen Zeit.
Manche der Männer, die kamen, waren stolz darauf, Sklaven solch kühler und mächtiger Herren zu sein. Und die Landbesitzer erklärten das Arbeiten und Denken des Ungeheuers, das stärker war als sie. Ein Mann kann das Land halten, wenn er nur essen und seine Steuern bezahlen kann. Ja, das kann er, bis eines Tages seine Ernte ausbleibt und er Geld borgen muss von der Bank.
Aber â siehst du, eine Bank oder eine Gesellschaft kann das nicht, weil diese Kreaturen ja keine Luft atmen und sich nicht von Fleisch nähren. Sie atmen Profite und sie nähren sich von Geldinteressen. Wenn sie das nicht bekommen, sterben sie, wie du stirbst ohne Luft und ohne Fleisch.
Können wir es nicht anstehen lassen? Vielleicht ist nächstes Jahr ein besseres Jahr.
Darauf können wir uns nicht verlassen. Die Bank â das Ungeheuer muss die ganze Zeit Profite haben. Sie kann nicht warten. Sonst stirbt sie. Wenn das Ungeheuer nicht mehr wächst, so stirbt es. Es kann nicht immer gleich groà bleiben.
Der Zug hielt am Alexanderplatz, wo Ella kurz aufschaute, dann aber gleich weiterlas.
Und schlieÃlich kamen die Landbesitzer zu ihrem eigentlichen Punkt. Das Pachtsystem bewährt sich nicht mehr. Ein Mann auf einem Traktor kann zwölf oder vierzehn Familien ersetzen. Zahl ihm seinen Lohn, und er besorgt die ganze Ernte. Wir müssen das machen. Wir machen es nicht gern. Aber das Ungeheuer ist krank. Irgendetwas muss mit dem Ungeheuer geschehen.
Die Pächter blickten beunruhigt auf. Aber was geschieht mit uns? Wovon sollen wir leben?
Ihr müsst das Land verlassen. Die Pflüge werden durch euren Hof gehen.
Und jetzt standen die Männer wütend auf. GroÃvater ist als Erster auf das Land gekommen. Er musste die Indianer töten und fortjagen. Und Vater ist hier geboren. Er hat das Unkraut ausgerupft und die Schlangen umgebracht. Dann kam ein schlechtes Jahr, und wir mussten ein bisschen Geld borgen. Dann gehörte das Land der Bank, aber wir blieben und hatten ein kleines bisschen von dem, was wir anbauten.
Wir wissen das â wissen das alles. Wir sindâs ja auch nicht, es ist die Bank. Eine Bank ist nicht wie ein Mensch.
Ja, aber die Bank ist ja auch nur von Menschen gemacht.
Nein, da hast du unrecht â völlig unrecht. Die Bank ist etwas ganz anderes als Menschen. Jeder Mensch in der Bank hasst das, was die Bank tut, und doch tut die Bank es. Die Bank ist mehr als Menschen sind, das sage ich dir. Menschen haben sie gemacht, aber sie können sie nicht kontrollieren. Das Ungeheuer ist kein Mensch, aber es kann Menschen das zu tun befehlen, was es will.
Die Pächter schrien: GroÃvater hat Indianer, Vater Schlangen
umgebracht für das Land. Vielleicht können wir die Banken umbringen â sie sind schlimmer als Indianer und Schlangen.
Als der Zug in den Bahnhof Hackescher Markt einfuhr, war Ella mit den angestrichenen Absätzen fertig, und bis zur FriedrichstraÃe las sie alles noch einmal und versuchte sich vorzustellen, wie es auf ein kleines Mädchen wirken mochte, wenn es ihm von der GroÃmutter mit trauriger oder empörter Stimme vorgelesen wurden.
An der FriedrichstraÃe
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