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Erlosung

Erlosung

Titel: Erlosung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fischer Claus Cornelius
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entlang, zwischen Ufern aus Neon, und etwas später waren sie auch an der Gedächtniskirche vorbei.
    Â»Ich dachte, ich hätte ein Auto kommen gehört«, sagte Forell. »Wo sind Sie gerade?«
    Â»Noch in Berlin, aber schon fast am Autobahnkreuz.«
    Â»Gut, das ist gut. Wo war ich stehen geblieben?«
    Â»Eine englische Bank wollte sich bei – «
    Â»Ah, richtig – die Londoner setzten Lazare & Fils ein Ultimatum bis zum 30. Oktober. Wenn Sie bis dahin Ihre Schulden nicht tilgen, schrieben sie Lazare, werden wir einen Zusammenschluss aller Ihrer Gläubiger herbeiführen und Ihr Geldinstitut und sämtliche Firmen, die Ihnen ganz oder zum Teil gehören, deren Gelder Sie verwalten oder deren Konten von Ihrer Bank geführt werden, einer strengen Prüfung unterziehen. In dieser mehr als verzweifelten Lage fiel ihm wieder ein, was sein Stallmeister einmal von einem der Pferdepfleger – einem Deutschen mit Namen Oskar Steinberg, dem Bruder des Hauslehrers
der Kinder von Auguste Schneider und seiner Frau Marthe – gehört hatte, dass nämlich der Nachbar bei sich daheim in einem Tresor ein Vermögen an Schmuck und Goldmünzen aufbewahrte. Und er war sicher, dass er nicht als Einziger davon wusste.«
    Am Rathenauplatz verließ das Taxi den hier längst schäbig und glanzlos gewordenen KuDamm und steuerte das Autobahnkreuz an, wo der Schwarm sich auf die verschlungenen Betonbahnen verteilte. Der Funkturm leuchtete vor dem Nachthimmel, und dahinter schwebte der Schatten eines Düsenjets mit blinkenden Positionslichtern über die Dächer auf Tegel zu.
    Forells Stimme schien wie aus einer anderen Zeit an Ellas Ohr zu dringen. »Der Mord an den Schneiders geschah in der ersten Novemberwoche des Jahres 1929. An jenem Tag hatte Christophe Lazare einen geschäftlichen Termin in Colmar. Als er abends zurückkehrte, wollte er noch schnell bei seinem ebenfalls auf dem Land lebenden Nachbarn Auguste vorbeischauen, und da fand er die ganze Familie ermordet, nur die kleine Annémone lebte noch.
    Wegen des Schwarzen Freitags hatte die Londoner Bank andere Sorgen, als das Lazare & Fils gesetzte Ultimatum sofort in die Tat umzusetzen. Eine Woche später, am 13. November, zahlte Christophe Lazare auf einen Schlag den größten Teil seiner Verbindlichkeiten zurück. Seine Gläubiger waren so froh, ihr Geld zurückzuerhalten oder wenigstens diese Verluste begrenzen zu können, dass keiner auch nur den leisesten Versuch unternahm, herauszufinden, aus welchen Quellen sich seine plötzliche Liquidität speiste. Darüber hinaus hatte der Tod von Auguste Schneider und seiner Familie für Lazare noch einen weiteren Nutzen: Da der Patriarch die Buchhaltung seiner Firmen selbst übernommen hatte, gab es niemanden mehr, der herausfinden konnte, dass die von Lazare & Fils geführten Konten nur auf dem Papier noch dem wirklichen Wert der Aktiva
entsprachen. Annémones Patenonkel, der Advokat Philipe Bertrand aus Straßburg, musste zu seinem Entsetzen erfahren, dass seinem neuen Mündel nichts geblieben war außer Schulden.
    Lazare & Fils dagegen nahm nunmehr als eins der wenigen liquiden Geldhäuser eine Schlüsselposition im Bankgewerbe ein, zuerst im Elsass, dann in ganz Frankreich und ab 1932 auch im Rest Europas mit Ausnahme des Deutschen Reiches. Dabei konzentrierte es sich früher als andere auf Geschäfte mit der Stahlindustrie, was dann wenig später zu lukrativen Aufträgen von Rüstungsbetrieben und Reedereien führte. Die Bank wurde so mächtig und erfreute sich bald so hoher Protektion, dass sich niemand mehr traute, ihre Geschäftspraktiken unter die Lupe zu nehmen. Hätte es doch jemand gewagt, wäre dem schnell von ganz oben ein Riegel vorgeschoben worden.«
    Das Taxi verließ das Autobahnkreuz, der Funkturm wanderte ins Rückfenster, und auf der Avus trat der Fahrer das Gaspedal voll durch. »Wir sind jetzt im Grunewald«, sagte Ella. Sie hörte ein Knistern in der Leitung, und die Verbindung schien kurz schwächer zu werden.
    Â»Im Grunewald?«, fragte Forell entsetzt. »Ich dachte, Sie wären – was ist denn das dann für ein Wagen da unten?!«
    Â»Wo?«
    Â»Auf dem Feldweg zum Friedhof. Ich kann die Scheinwerfer sehen. Er kommt hier herauf – oh, mein Gott – «
    Â»Verlassen Sie das Haus«, rief Ella. »Verstecken Sie sich!« Forell sagte nichts, sie

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