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Erlosung

Erlosung

Titel: Erlosung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fischer Claus Cornelius
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dieser Umstand zu einer Seite von Dany gehörte, die sie nicht kannte. Zu einer der vielen Seiten, die mir noch fremd sind; zu der, die Menschen töten konnte …

    Â»Wie gut ist dein Französisch?«, fragte Annika.
    Â»Mittelprächtig. Aber Dany spricht fließend Deutsch.«
    Â»Wie schön. Ich spreche ziemlich gut Französisch, und deswegen habe ich vorhin vom Hotel aus beim Nouvel Observateur angerufen und einen der Nachtredakteure gefragt, wann ich Daniel Montheilet am besten erwischen kann …«
    Und die haben gesagt, es gibt gar keinen Journalisten dieses Namens bei ihnen – Herrgott, nicht schon wieder…
    Â»Er sagte, sie wüssten nicht, wann er wieder in die Redaktion käme. Ich habe gesagt, ich sei mir nicht sicher, aber ich glaubte, ich hätte ihn hier in Berlin gesehen. Da ist der Redakteur zugeklappt wie eine Auster, hat aber nichts Gegenteiliges behauptet. Es scheint also, als hätte er in diesem Punkt die Wahrheit gesagt. « Sie schwieg einen Moment. »Ist er gut zu dir?«
    Ella antwortete nicht.
    Â»Das ist das Einzige, worauf es ankommt«, sagte Annika. »Dass er gut zu dir ist.«
    Â»Ich weiß«, meinte Ella.
    Â»Sag ihm, wenn er nicht gut zu dir ist, bringe ich ihn um.«
    Â»Ãœbertreibst du deine Fürsorge nicht ein bisschen?«, fragte Ella und spürte ein leichtes Brennen unter den Lidern, aber das war bestimmt auch die Müdigkeit.
    Â»Wieso kommt es mir vor, als hätte ich all das schon mal erlebt? «, fragte Annika zurück. Linker Hand glitten die Lichter von Potsdam vorbei, und die Straßenlaternen knipsten ihr blasses Gesicht an und wieder aus, vor allem das Rot der Lippen.
    Â»Du kriegst doch jetzt keinen Anfall?«, fragte Ella.
    Annika schüttelte den Kopf. »Die sind nur einmal pro Woche fällig – so regelmäßig, dass man die Zeit danach einteilen könnte, wenn die Uhr nicht schon erfunden worden wäre. Für einen außer der Reihe müsste ich mich besonders aufregen, und dazu gibt es gerade ja keinen Anlass.« Das Handy auf ihrem Schoß brummte in kurzen, ungehaltenen Intervallen. Vorsichtig meldete
sie sich. Sie hörte einen Moment zu, dann fragte sie: »Woher haben Sie meine Nummer?« Sie hörte wieder zu. »Okay, das geht Sie gar nichts an, wem ich mein Handy leihe. Ich geb sie Ihnen.« Sie reichte Ella das Handy. »Dein Bulle.«
    Â»Hallo?«, sagte Ella.
    Â»Aziz hier.« Er war schroff. »Ich will Sie sofort sehen, nicht erst morgen. Ein Taxifahrer hat vor einer halben Stunde einen Mord in einer Kapelle in der Nähe von Potsdam gemeldet. Seine Beschreibung der möglichen Täterin trifft ziemlich genau auf Sie zu, wenn man Schal und Kopftuch abzieht. Die Kollegen der dortigen Polizei haben die Leiche als einen Professor Forell identifiziert. Wissen Sie etwas darüber?«
    Â»Ja«, antwortete Ella.
    Â»Haben Sie den Täter gesehen?«
    Â»Nein.«
    Â»Haben Sie eine Ahnung, wer es gewesen sein könnte?«
    Â»Nein.«
    Â»Wo sind Sie gerade?«
    Â»Auf dem Rückweg nach Berlin.«
    Â»Wer ist noch bei Ihnen außer Ihrer Freundin?«
    Â»Niemand. Daniel Montheilet haben Sie ja bereits abgeholt.«
    Aziz schwieg, und Ella dachte schon, die Verbindung wäre unterbrochen. Dann sagte er: »Sind Sie noch da? Ich habe niemanden abholen lassen.« Es klang, als schlüge oder trete er gegen etwas. »Ich weiß nicht mehr, was da vorgeht, aber ich finde es heraus. Haben Sie das Gefühl, verfolgt zu werden?«
    Ella drehte sich um und sah aus dem Rückfenster. Die Straße hinter dem Taxi war leer. Während sie noch hinausschaute, begann es zu regnen, und die Farbe des Himmels veränderte sich. »Nein, ich sehe niemanden.«
    Â»Gut. Wie lange werden Sie noch brauchen bis Berlin?«
    Â»Ungefähr eine Viertelstunde.«
    Â»Kennen Sie die Chinesische Botschaft am Märkischen Ufer?«

    Â»Ja.«
    Â»Wir treffen uns da in einer Dreiviertelstunde. Glauben Sie, dass Sie das schaffen?«
    Â»Warum da?«
    Sie dachte, dass er sagen würde Nicht am Telefon , stattdessen erklärte er nur: »Ich wohne in der Nähe. Außerdem ist es nicht weit vom S-Bahnhof Jannowitzbrücke, Sie müssen also kein Taxi nehmen. Ach ja, und kommen Sie allein. Einen epileptischen Anfall auf offener Straße können wir uns gerade nicht leisten.« Er unterbrach die Verbindung, ohne sich zu

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