Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Erlosung

Erlosung

Titel: Erlosung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fischer Claus Cornelius
Vom Netzwerk:
diese steht seit einiger Zeit leer. Hier werden Sie – wie das Foto beweist – gefangen gehalten, zu einem durch Datum und Uhrzeit belegten Zeitpunkt, zu dem Monsieur Lazare selbst noch untergetaucht ist. Es handelt sich also gewissermaßen um eine Versicherung für die Zeit danach. Denn falls es Ihnen nicht gelingen sollte, Monsieur Lazare davon zu überzeugen, dass Mademoiselle Schneiders Leben von seinem Verhalten abhängt – dass sie genauso sterben wird wie seine Geliebte, Nicolette Marceau –, wenn er uns also nicht die Gelegenheit gibt, ihn noch vor der Aktionärsversammlung seiner Bank am nächsten Freitag von seinem Vorhaben abzubringen, dann brauchen wir dieses Mittel, um zu verhindern, dass er uns nachträglich zu schaden versucht.«
    Fast nonchalant fügte er hinzu: »Darüber hinaus stellt es natürlich einen zusätzlichen Anreiz für Sie dar. Schließlich sah es bisher ja so aus, als wären Sie für all die Morde der letzten Wochen verantwortlich, aus sehr persönlichen und – so darf man wohl sagen – niedrigen Beweggründen. Aber wenn Sie selbst eins der letzten Opfer in dieser Mordserie sind – neben dem ersten, Mademoiselle Schneider, von der es ebenso ein Foto hier in der Wohnung gibt –, dann muss zwangsläufig jemand anderer der Täter sein, jemand, der durch den von Hand zu Hand weitergegebenen Stick ebenfalls mit den Leichen in Verbindung gebracht werden kann. Natürlich ist dieser Stick dann längst unauffindbar. Und da niemand weiß, warum Monsieur Lazare untergetaucht ist, weiß dann wohl auch niemand, was er in der Zeit getan hat, in der er wie vom Erdboden verschluckt
war. Die Verbrechen fallen ja ausnahmslos alle genau in die Zeitspanne seines Verschwindens – beginnend mit dem Mord an seiner Geliebten, nachdem er Besuch von dieser anderen jungen Frau erhalten hatte. Ach, da gibt es so viele Möglichkeiten, was man aus diesen Fotos konstruieren kann.«
    Â»Wie fühlen Sie sich eigentlich bei dem, was Sie tun?«, fragte Ella in der Dunkelheit unter der Tüte. »Sie reden von Fotos, von Spielkarten, von einem Puzzle und einer Schnitzeljagd, mit einer Stimme, als gingen Sie die Fußnoten eines Fusionsvertrages durch. Aber das alles waren Menschen, jeder Einzelne von ihnen hat gelebt, und er hatte nichts als dieses eine Leben, und Sie haben es ihm genommen. Wie fühlen Sie sich bei dem, was Sie tun?«
    Â»Ich bin Anwalt, ich fühle nichts. Aber Sie – Sie sehen jetzt hoffentlich, wie wichtig es auch für Sie ist, dass Sie Ihre Aufgabe ernst nehmen und genau tun, was wir Ihnen sagen.«
    Â»Wie soll ich Lazare denn finden, wenn nicht mal Sie mit all Ihren Möglichkeiten ihn aufspüren können?«
    Â»Oh, wir wissen, wo er ist, jedenfalls die meiste Zeit. Wir können nur dort nicht mit ihm reden.«
    Â»Warum nicht?«
    Â»Weil er uns nicht zuhört.«
    Â»Und wo ist er?«
    Â»In der Luft. Monsieur Lazare hat von seinem Geld gelernt. Er ist immer in Bewegung. Er hinterlässt keine Spuren. Er schläft und isst in seinem Privatflugzeug, das nur zum Auftanken landet, aber niemals in Frankreich. Er vertraut Frankreich nicht.«
    Die Empörung kribbelte in Ellas Nerven, als stünden sie unter Strom. Ȇberschätzen Sie mich nicht ein bisschen, wenn Sie denken, dass ausgerechnet ich ihn dazu bringen kann, da oben zwischen irgendwo und nirgends meinen Anruf entgegenzunehmen und rechts ranzufliegen, während ich ihm erkläre – «

    Â»Nicht Sie«, erklärte der Anwalt geduldig, »sein Neffe, der Priester. Rémy Lazare ist wie ein Sohn für ihn, nachdem sich sein Bruder vor einigen Jahren das Leben genommen hat. Bedauerlicherweise können wir nicht einfach bei ihm auftauchen und ihn zur Mitarbeit bewegen. Zumindest nicht in der uns zur Verfügung stehenden Zeit. Er lebt völlig zurückgezogen in einem Kloster auf Mont Saint-Michel vor der Küste der Normandie, als einer von einem Dutzend Benediktinermönchen, die dort ihr Leben dem heiligen Michael gewidmet haben.«
    Ein Rascheln, als bewegte er seinen Arm, um auf die Uhr zu schauen. »Aber Professor Serge Barrault, ein Freund der Familie Lazare, ist bereit – vor allem, nachdem er von dem schrecklichen Tod seines Freundes Edouard Forell in Berlin gehörte hat –, sich für uns, für Sie , bei Frère Rémy zu verwenden, damit er Ihnen zuhört

Weitere Kostenlose Bücher