Erlosung
über Bord zu werfen, woran er bisher geglaubt, wofür er gelebt und gearbeitet hatte â «
»Nicht von heute auf morgen«, unterbrach Barrault sie. »Schon vorher hatte Rémy ihm die Augen geöffnet für die Schuld seiner Familie und die Verpflichtung, die für alle Lazares
aus dieser Schuld erwächst. Aber obwohl er sich Rémy in dieser Angelegenheit nie verschlossen hatte, war die Schuld doch in gewisser Weise immer abstrakt für ihn geblieben, bis er Mademoiselle Schneider traf, deren UrgroÃeltern die Opfer seines GroÃvaters gewesen waren. Ich weià nicht, ob es ihre Worte waren oder ihr Mut, ihr Anstand, aber er rief mich an und erklärte, er sei beteiligt an der Planung eines groÃen Verbrechens, eines der gröÃten der letzten Jahre, und er könne damit jetzt nicht mehr weitermachen â er müsse stattdessen versuchen, es in letzter Minute zu verhindern. Dann sagte er noch, er müsse eine Zeit lang untertauchen, aber falls es die dringende Notwendigkeit gebe, ihn zu erreichen, sollte ich mich an seinen Neffen wenden â¦Â«
»Weià er von den Morden, die sein Verschwinden nach sich gezogen haben? Von Madeleines Schicksal?«
» Get away from the window« , sagte die farbige Frau plötzlich scharf.
»Er weià es«, sagte Barrault. »Er lässt sich über alles auf dem Laufenden halten. Er weià sogar, dass Sie ihr zuerst das Leben gerettet haben, bevor sie â «
»Aber er weià nicht, dass sie gar nicht tot ist«, unterbrach Ella ihn, »dass ihr Tod nur vorgetäuscht war? Können Sie Rémy Lazare das sagen, wenn Sie mit ihm sprechen? Madeleine Schneider lebt und ist hier in â «
Die farbige Frau trat rasch auf Ella zu. » Cela suffit! Enough, thatâs enough. Give me the phone.« Sie griff nach dem Handy, um es ihr wegzunehmen, aber Ella wandte sich ab, wich ihr aus wie ein Basketballer, der nicht abgedrängt werden will. »Wie kann ich Kontakt mit Rémy aufnehmen?«, rief sie in das Handy, um das sie mit der farbigen Frau rang.
»Das Kloster der Monastischen Gemeinschaften von Jerusalem auf Mont Saint-Michel. Rufen Sie dort an, ich spreche mit ihm und â « Die Leitung war plötzlich unterbrochen, und im
selben Moment hatte die farbige Frau Ella gegen die Wand neben dem Fenster gedrängt und ihren aneinandergeklebten Händen das Mobiltelefon entwunden. Sie stieà Ella am linken Oberarm zurück zur Matratze, hob die FNAC-Tüte vom Boden auf und stülpte sie Ella wieder über den Kopf.
»Werden Sie uns helfen?«, fragte der Anwalt, nachdem er in den Raum zurückgekehrt war. »Werden Sie für uns mit Rémy Lazare reden?«
Ella sagte: »Und wenn ich es Ihnen verspreche und mich nicht an das Versprechen halte? Wenn ich mich in Luft auflöse zwischen hier und Mont Saint-Michel?«
»Um Mademoiselle Schneider sterben zu lassen? Aber selbst wenn â vergessen Sie nicht, dass Sie auch in Frankreich wegen Mordes an Nicolette Marceau gesucht werden.«
»Dafür gibt es keine Beweise«, sagte Ella.
Die Stimme des Mannes klang auf einmal fast heiter, als er fragte: »Beweise?«
39
Ella fuhr schnell, aber nicht waghalsig. Sie hielt sich an die vorgeschriebene Geschwindigkeit und blieb auf der rechten Spur. Die Fahrbahn war eine schwarze Fläche, die dem Wagen aus der Dunkelheit entgegenflog. Die weiÃen Leitstreifen schienen auf dem Asphalt zu schweben, dann schossen sie heran und verschwanden wieder, zu rasch, um ihnen mit den Augen zu folgen. Der Citroën C5 glitt dahin wie eine luxuriöse, leise rauschende Raumkapsel durch die Schwärze des Alls. Manchmal tauchte am StraÃenrand überraschend eine Reklametafel oder ein grünes Hinweisschild im Scheinwerferlicht auf, aber sonst war die Nacht leer, und um diese Zeit gab es kaum Verkehr.
Ella warf einen unauffälligen Blick in den Rückspiegel, um zu sehen, ob der andere Wagen noch da war. Der Wagen fuhr seit Paris hinter ihr her, immer im gleichen Abstand. Erst hatte sie gedacht, es seien Aufpasser, die der Anwalt ihr nachgeschickt hatte, um sie zu überwachen. Aber dann hatte der Fahrer mehrmals die Lichthupe betätigt, als legte er es darauf an, dass sie ihn bemerkte, und sie war schneller gefahren. Sie wollte nicht, dass etwas Unvorhergesehenes geschah.
»Wir sind die ganze Zeit bei Ihnen«, hatte der Anwalt gesagt. »Wenn Sie irgendwo halten,
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