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Erlosung

Erlosung

Titel: Erlosung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fischer Claus Cornelius
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scharfe Bilder und erfassten sogar die Titel der Bücher, aus denen Mado immer wieder Stellen abschrieb, die sie vorher angestrichen hatte.
    Auch die Mikrofone waren ausgezeichnet: Wenn die Fenster offen standen, konnte man hören, was die junge Frau am Telefon sagte, welche Musik sie zum Arbeiten auflegte oder wie sie beim Füttern mit den Fischen sprach. Die allgegenwärtige Geräuschkulisse – der Wind, Vogelgezwitscher, ferner Autoverkehr, Küchenlärm, das leise Blubbern und Fauchen der Sauerstoffleitung im Aquarium – trat sofort in den Hintergrund, sobald sie etwas sagte.
    Am Morgen hatte Dany ein iBook mit einem DVD-Abspiel-und Bearbeitungsprogramm gekauft, damit sie sich die Bänder ansehen konnten, mit denen sie aus der Wohnung des Voyeurs geflohen waren. »Wahrscheinlich wissen sie inzwischen auch schon, wer du bist«, hatte Ella gesagt, als er mit einer Kreditkarte bezahlte.

    Â»Das glaube ich nicht«, hatte er gesagt.
    Â»Sie haben uns zusammen aus dem Hilton kommen sehen. Sie brauchen bloß an der Rezeption nachzufragen.«
    Â»Dann erfahren sie irgendeinen Namen, aber der lautet nicht Daniel Schneider.«
    Â»Und dein Pass? Die Kreditkarte?«
    Â»Ich habe mehrere. Es gibt Länder, in die ich unter meinem richtigen Namen nicht einreisen darf. Ich arbeite oft undercover. «
    Sie hatte ihn angesehen und gedacht, dass er ein ungewöhnlicher Mann war, ein Gedanke, der ihr noch ein paarmal im Lauf des Tages kam, du hast es mit einem ungewöhnlichen Mann zu tun. Sie merkte, dass er sie ansah, wenn er glaubte, sie achte nicht darauf, und wenn sie seinen Blick erwiderte, lächelte er manchmal, und manchmal blieb er ernst. Ein- oder zweimal meinte sie, einen Anflug von Begehren in seinen Augen zu entdecken. Aber er unternahm keinen Versuch, sie in den Arm zu nehmen oder zu küssen oder so zu berühren wie in der vergangenen Nacht, denn es war ja Tag.
    Der Voyeur hatte nur Frauen gefilmt und auch nur dann, wenn sie in ihren Wohnungen rings um den Hinterhof halb oder ganz nackt herumliefen. Ella und Dany sahen sich die Überwachungsbänder abwechselnd an, denn er hatte bloß ein Paar Kopfhörer gekauft. Die anderen Frauen interessierten sie nicht, lediglich Mado.
    Einmal hatte die junge Französin eine alte Landkarte vor sich liegen, man konnte sogar die braun eingezeichneten Berge erkennen, das Grün der Ebenen, einen blauen Fluss und rote Landesgrenzen. Der Rhein, dachte Ella. In Erdkunde war sie immer gut gewesen, Elsass-Lothringen, die Grenzen von 1918. Mado fuhr mit der Spitze eines Kugelschreibers von Colmar nach Metz, dann über den Rhein und weiter in Richtung Pirmasens. Kurz darauf griff Mado zum Handy, wählte eine Nummer
und sagte: » Professeur Barrault? C’est moi, Mado Schneider. Ecoutez, Monsieur – je suis maintenant à Berlin et je crois que j’ai trouvé la trace des frères allemands, les Steinberg – « Ella nahm die Kopfhörer ab. »Dany sie ruft jemanden in Frankreich an!«
    Dany setzte die Kopfhörer auf, betrachtete den Bildschirm und lauschte. Seine Miene nahm einen gespannten Ausdruck an. Mado sprach sehr lange, und ihre Bewegungen waren schnell, mit der freien Hand schien sie die Luft zu zerhacken, und als sie das Telefonat beendet hatte, fragte Ella: »Was hat sie gesagt?«
    Dany zuckte mit den Schultern. »Nichts von Bedeutung, Alltagskram …« Er wirkte einen Moment unschlüssig, fast verwirrt und sah sie nicht an. »Hier.« Er gab ihr die Kopfhörer zurück. »Wir sollten noch einmal versuchen, den Anwalt zu erreichen.«
    Â»Gleich, ein paar Minuten noch«, sagte Ella. »Es muss doch auf diesen Dingern etwas geben, das uns weiterhilft!«
    Er nickte, aber so, als hätte er nur mit einem Ohr zugehört. Er setzte sich aufs Bett, holte sein Handy heraus und begann, eine SMS zu tippen. Sie widerstand der Versuchung, ihn zu fragen, wem er schrieb; stattdessen wandte sie sich wieder dem Überwachungsfilm zu .
    Das Summen von Mados Telefon schreckte sie auf. Danys Schwester meldete sich und lauschte, dann leuchtete ihr Gesicht auf. »Sunny!«, rief sie. Sie sprang auf und ging zum Fenster. »Wo bist du? Du klingst so nah. Ich wollte dich auch schon anrufen. Ich habe spannende Neuigkeiten – ich habe etwas entdeckt! Genauer, der Professor hat es entdeckt. Forell! Ich hab dir doch erzählt, dass er mir hilft, herauszufinden, was aus den

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