Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Erlosung

Erlosung

Titel: Erlosung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fischer Claus Cornelius
Vom Netzwerk:
andere lag neben ihm im Gras, neben dem Mädchen und neben Paul, der sich über das Gesicht des Mädchens beugte. Dann war sie nah genug, um zu erkennen, dass alles an dem Mädchen zitterte, als wäre ihm kalt – die Beine, der Hals, der Kopf, die Lippen und der rechte Arm, nur der linke nicht. Seine Augen waren offen, und erst dachte Ella, es starre Paul an, bis Paul sich bewegte, und da sah sie, dass die Augen nur so starrten, ins Leere, in die Nacht, zu den Sternen hinauf.
    Das Unheimliche war, dass es kein Blut gab, überhaupt kein Blut auf der blassen Haut, nur die zitternden Glieder und das Starren der Augen und den eingedrückten Brustkorb, von der Gondel, die heruntergefallen war und das Mädchen unter dem Riesenrad getroffen hatte.
    Keiner von den Umstehenden sagte etwas. Alle standen nur da und sahen zu, wie Paul und der andere Sanitäter dem Mädchen zu helfen versuchten. Paul sagte etwas, er redete mit dem Mädchen. Er hielt seine Hand und redete mit ihm, und plötzlich krümmte sich das Mädchen, ohne dass es aufhörte, zu den Sternen hochzuschauen. Er griff in seine Notfalltasche, holte eine Spritze heraus und injizierte eine farblose Flüssigkeit in eine Vene an dem abgewinkelten Arm des Mädchens. Etwas später hörte es auf zu zittern, und noch etwas später schloss es die Augen.

    Ella hatte nur Augen für Paul, für das, was er tat. Genau wie die Leute aus dem Dorf war sie in ehrfürchtigem, ein wenig furchtsamem Staunen erstarrt, als würde sie Zeugin eines magischen Aktes. Das Zauberwort hieß: Erlösung. Das war der Moment, in dem sie endlich wusste, was sie werden wollte, wenn sie mit der Schule fertig war, und sie war es geworden, bis auf das mit Paul, das hatte nicht geklappt.
    Â»Damals hätte ich dich gern kennengelernt«, sagte Dany.
    Ich mich auch, dachte sie.

24
    Randolph Freyermuth war um kurz vor sieben Uhr morgens erschossen worden, und auch fünf Stunden danach brachte noch kein Sender die Nachricht von seinem Tod.
    Â»Wieso bringt keiner eine Meldung?«, fragte Ella. »Sie müssten die Leiche doch längst gefunden haben, jemand, der die Mülltonnen reinholt, ein Hausmeister, irgendjemand.«
    Dany schaltete auf den nächsten Fernsehkanal. »Bestimmt war der Schütze nicht allein. Wahrscheinlich haben sie ein Team in der Nähe gehabt, das sich um die Leiche kümmert.«
    Â»Warum?« Ella ging unruhig neben dem Bett auf und ab. »Warum haben sie ihn nicht liegen lassen, um seinen Tod auch noch mit mir in Verbindung zu bringen? Bestimmt hat mich jemand in der Gegend gesehen.«
    Dany sagte: »Ein Kopfschuss aus einer Automatik passt nicht zu deinem modus operandi. Wenn sie dich mit seinem Tod in Verbindung bringen wollen, werden sie das auf andere Weise tun. Sie brauchen dazu keine Leiche. Vielleicht haben sie dich mit einem Teleobjektiv fotografiert, wie er sich sterbend an dich klammert und du dich über seine Leiche beugst, sein Blut an deinen Händen. Außerdem können sie es sich nicht leisten, dass die Polizei zu früh in seiner Kanzlei auftaucht und dort alles auf den Kopf stellt, jedenfalls nicht, bevor sie die DVD in ihren Besitz gebracht haben. Bei einem wie Freyermuth bleibt die Untersuchung vielleicht nicht in den Händen der Beamten, die sie gekauft haben.«

    Â»Glaubst du, sie wissen, dass er die DVD hatte?«
    Â»Warum sollten Sie sonst versucht haben, dich zu erschießen? «, sagte Dany. »Bisher wollten sie immer, dass du mit ihnen redest. Sie wollten, dass du ihnen sagst, was du weißt. Dass sie dich jetzt ausschalten wollen, zeigt, dass sie nicht mehr daran interessiert sind. Entweder glauben sie nicht mehr, dass du etwas hast oder sie wissen, wo sie es herbekommen können – beispielsweise von Freyermuth – und wollen jetzt nur noch die Mitwisser aus dem Weg räumen.«
    Ella stockte der Atem, als sie ihn so reden hörte; als sie hörte, wie unbeteiligt er die Gründe aufzählte, aus denen jemand sie töten wollte. Keiner davon hatte mit ihr zu tun. Sie war nur ein Kollateralschaden, wie Max. Sie blieb stehen. »Wie sind sie überhaupt auf Freyermuth gekommen? Haben Sie sein Telefon angezapft? Wenn, dann müssen sie schon vorher an ihm dran gewesen sein.«
    Â»Sunny, seine Tochter«, sagte Dany. »Sie war Mados Freundin, und nachdem Mado in ihr Fadenkreuz geraten war, haben sie bestimmt jeden unter die Lupe

Weitere Kostenlose Bücher