Ermittler in Weiß - Tote sagen aus
Inspektion der langen Röhrenknochen, dass die an den Gelenkenden gelegene Epiphyse, eine Knorpelleiste, noch nicht ver-knöchert war, was auf die Jugend des Toten hinwies. Auf die Frage »Wie alt war denn Tetzner?« erhielt er zur Antwort: »26 Jahre.« Das passte nicht recht zum Knochenbefund. Aber Kockel wollte sich zunächst noch nicht festlegen und erst noch einige weitere Untersuchungen im Institut durchführen. Kaum dort angekommen, machte er sich wieder an die Arbeit. Der fehlende Ruß in den Atemwegen veranlasste ihn, im Blut nach Kohlenmonoxid zu suchen, das sich beinahe bei jeder Verbrennung - allerdings in unterschiedlicher Menge - bildet. Gerät jemand lebend in ein Feuer, so atmet er dieses Kohlenmonoxid ein. Da es wesentlich fester an den roten Blutfarbstoff gebunden wird als der normale Sauerstoff, lässt es sich auch sehr lange nachweisen. Aber im vorliegenden Fall waren alle Untersuchungsergebnisse negativ. Alles sprach dafür, dass der Tote schon nicht mehr gelebt hatte, als der Wagen in Flammen geriet. Aber woran war er dann gestorben? Leider war der Körper unvollkommen, es fehlten große Teile des Schädels und auch die Arme und Beine. Es sah aber nicht so aus, als ob diese fehlenden Teile völlig verbrannt wären. Eher schien möglich, dass sie absichtlich abgetrennt worden waren, vielleicht um die eigentliche tödliche Verletzung zu vertuschen oder die Identifizierung unmöglich zu machen. Deshalb führte Prof. Kockel eine Untersuchung durch, mit der er das Vorhandensein einer Fettembolie nachweisen wollte. Dieses Verfahren befand sich damals gerade in der Diskussion. Bei der mikroskopischen Untersuchung des Lungengewebes entdeckte er tatsächlich reichliche Fetteinschwemmungen, eine so genannte Lungenfettembolie, die vor allem bei zu Lebzeiten erlittenen Verletzungen durch stumpfe Gewalt, bei der Fettgewebe zerstört worden ist, beobachtet wird. Von einer auch bei Verbrennungen möglichen, meist wesentlich geringeren Einschwemmung von Fetttröpfchen, die sich zudem auch fast nur auf die Randbezirke der Lunge erstreckt, war sie deutlich abzugrenzen. Außerdem stimmte die Farbe der Schamhaare des Toten nicht mit der Haarfarbe von Tetzner überein. Der Tote hatte rötlich-blonde Schamhaare, während Tetzners Haare dunkelblond gewesen waren. Da die Schamhaare zumeist, wenn auch nicht immer, die gleiche Farbe wie die Kopfhaare aufweisen, handelte es sich um ein weiteres, zu Zweifeln Anlass gebendes Indiz. Auch fanden sich im Bereich der linken Lunge starke Verwachsungen, die von einer schweren Rippenfellentzündung herrührten. Nach den vorliegenden Versicherungsakten hatte Tetzner aber nie eine Lungenerkrankung gehabt. Kockel kam deshalb zu der Auffassung, dass es sich mit größter Wahrscheinlichkeit nicht um den Leichnam des Tetzner handele und dass der Tod nicht durch Verbrennen eingetreten ist. Vielmehr ging er davon aus, dass dieser schon vorher durch eine irgendwie geartete stumpfe Gewalteinwirkung erfolgt war, möglicherweise durch Schläge auf den Schädel, da ja die Schädeldecke fehlte und mögliche Verletzungen hier nicht nachweisbar waren. Beim Toten handelte es sich offenkundig um einen Mann, der wesentlich jünger und zierlicher als Tetzner gewesen sein musste. Außerdem war er bereits vor der Brandeinwirkung tot. Kockels Meinung lief darauf hinaus, dass Tetzner einen anderen Menschen zunächst getötet und anschließend mit dem Wagen verbrannt haben musste, um seinen eigenen Unfalltod vorzutäuschen und die für die damalige Zeit sehr große Versicherungssumme zu kassieren. Wegen der Bedeutung seiner Annahme informierte er noch am gleichen Abend die Kriminalpolizei. Da er vermutete, dass Tetzner noch lebte und Verbindung mit seiner Frau aufnehmen würde, schlug er vor, die Ehefrau zu überwachen. Den überwachenden Polizeibeamten fiel bald auf, dass die vermeintliche Witwe auffällig häufig bei Bekannten telefonierte. Daraufhin wurde auch dieser Anschluss überwacht. Am 4. Dezember kam dort ein Anruf aus Straßburg an. Als sich der Beamte einschaltete, meldete sich eine männliche Stimme mit dem Namen Sranelli und verlangte Frau Tetzner zu sprechen. »Frau Tetzner ist jetzt nicht da. Sie kommt erst am Nachmittag wieder. Rufen Sie doch gegen 18 Uhr noch mal an. Dann ist sie bestimmt wieder da«, antwortete der Beamte dem Anrufer. Wie sehr schnell festgestellt werden konnte, erfolgte der Anruf aus dem Hauptpostamt in Straßburg. Sofort wurde die französische Sürete um Hilfe
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