Ermittler in Weiß - Tote sagen aus
ersucht. Sie erhielt eine genaue Personenbeschreibung von Tetzner und wurde gebeten, das Hauptpostamt zu überwachen. Der stellvertretende Chef der Leipziger Kriminalpolizei bestieg sofort eine Sondermaschine der Lufthansa und flog nach Straßburg. Kurz vor 18 Uhr wurde der unbekannte Anrufer, der sich Sranelli nannte, beim Betreten der Telefonzelle verhaftet. Nach anfänglichem Leugnen gestand er noch am gleichen Abend, dass er tatsächlich Tetzner sei. Kurz darauf legte er ein Geständnis ab und erzählte den Vernehmern eine Geschichte, die selbst den abgebrühten Kriminalisten Grauen und Schrecken einflößte. Schon seit längerer Zeit war Tetzner in Geldschwierigkeiten gewesen. Sein großer Wurf mit einem Cafe in Oschatz, einer Kleinstadt in der Nähe von Leipzig, das er gleich nach der Heirat zusammen mit seiner Frau eröffnet hatte, erwies sich nicht als die erhoffte Geldquelle. Für seinen aufwändigen Lebensstil reichte es vorn und hinten nicht. Er verkaufte das Cafe nach zwei Jahren und zog mit seiner Frau nach Leipzig, wo er sich als Vertreter für einen Münchener Schulbuchverlag betätigte. Das große Geld war natürlich auch dort nicht zu holen. Deshalb beschloss er, sich durch einen Versicherungsbetrug eine größere Geldsumme zu beschaffen. Er schloss mehrere Lebensversicherungen zugunsten seiner Frau ab, die in den Plan eingeweiht war und auch bedenkenlos mitmachte. Sein Plan bestand darin, bei einem vorgetäuschten Autounfall einen Doppelgänger mit dem Auto zu verbrennen. Die Leiche sollte dann von seiner Frau als die ihres Mannes anerkannt und die Versicherungssumme eingefordert werden. Unter falschem Namen wollten die beiden im Ausland ein neues Leben beginnen. - An dieser Stelle enthielt Tetzners Geständnis den Vernehmern bisher nicht bekannte Aussagen, die sich aber schon bald als richtig herausstellten. Bereits am 12. November 1929 hatte er ein Inserat in den »Chemnitzer Neuesten Nachrichten« aufgegeben, in dem er einen jungen Mann als Reisebegleiter suchte. Es meldeten sich auch einige, unter denen er sich einen ihm ähnlich sehenden Bewerber aussuchte. Dieser sollte ihn auf Reisen begleiten und beim Verkauf von Schulartikeln helfen. Nach anfänglicher Zusage kam dem jungen Mann die Sache aber nicht ganz astrein vor, und er verständigte kurzerhand die Polizei. Bei der Befragung von Tetzner stellte sich zwar heraus, dass er bei Anzeigenaufgabe und auch später bei den Verhandlungen mit den Bewerbern einen falschen Namen angegeben hatte. Doch das allein war nicht strafbar, zumal er diese Handlung damit begründete, dass er seine geschäftlichen Pläne vor der Konkurrenz geheim halten wollte. Nachdem diese Doppelgängersuche per Zeitungsinserat fehlgeschlagen war, begab sich Tetzner am 21. November 1929 allein auf die Reise, um unterwegs eine geeignete Person zu suchen. In der Nähe von Hof stieß er auf einen Tippelbruder, der schon seit einiger Zeit sein Glück als »Anhalter« versucht hatte. Keiner der vorbeifahrenden Wagen hatte bisher gehalten, sodass er sehr erfreut war, als endlich doch ein Auto stoppte. Als Tetzner ihn fragte, wo er denn hinwolle, antwortete der Tippelbruder mit einem bittenden Blick: »Nach München. Ich will dort Arbeit suchen.« »Steigen Sie ein, ich fahre auch nach München. Sie können bis dahin mitfahren«, ging der Dialog weiter. Hoch erfreut stieg der Anhalter ein. Nach einiger Zeit kam ein Gespräch zustande und Tetzner erfuhr, dass sein Fahrgast von Beruf Autoschlosser war. Er hoffte, in München in einer Werkstatt Arbeit zu bekommen. »So wie Sie aussehen, mit den abgetragenen Klamotten nimmt Sie bestimmt keiner«, wandte Tetzner ein. »Sie müssen sich zumindest einen Kragen und eine Krawatte beschaffen. Und rasieren müssen Sie sich auch, wenn Sie Erfolg haben wollen. Im nächsten Ort halten wir, und Sie kaufen sich einen Schlips, am besten so einen wie ich ihn trage, das ist modern. Ich gebe Ihnen das Geld dafür.« Der Handwerksbursche wusste nicht wie ihm geschah. So viel Glück hatte er lange nicht mehr gehabt. Er sah jetzt nach dem Einkauf und dem Besuch beim Friseur ganz passabel aus, und Tetzner lud ihn auch noch in ein Lokal ein und spendierte Bier. Die Fahrt ging dann weiter über Nürnberg in Richtung Ingolstadt. Da heulte plötzlich der Motor unnatürlich auf. Als das kurz darauf noch einmal passierte, hielt Tetzner an und machte die Motorhaube auf: »Sie sind doch Autoschlosser, können Sie nicht mal nachsehen? Es scheint Öl auszulaufen.«
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