Ermittler in Weiß - Tote sagen aus
Zwischenfall. Wir hatten eine Schaufensterpuppe aus unserem Institut mitgebracht, um das Opfer zu imitieren. Ein Polizist trug sie durch den Wald zum Tatort, was bei dem hohen Schnee etwas beschwerlich war. Wir marschierten wegen des vielen Neuschnees im Gänsemarsch. Der Tatverdächtige, der zunächst an einen Polizisten gefesselt war, wurde von diesem getrennt und befand sich - Handschellen an den Händen - etwa in der Mitte der Marschordnung. Zur Bewachung ging ein Polizist hinter ihm her und passte auf, dass er keinen Fluchtversuch unternahm, der wegen der unmittelbaren Nähe der ehemaligen Zonengrenze gute Aussicht auf Erfolg versprochen hätte. Da der Transport der Puppe in dem hohen Schnee äußerst mühselig war, kam ein Kriminalist auf die Idee, diese Last dem Tatverdächtigen aufzuerlegen. Schließlich habe er diese Rekonstruktion verschuldet und solle nun auch dafür büßen. Ein Polizist nahm dem jungen Mann die Handschellen ab und lud ihm die Puppe auf die Schultern. Das ging auch eine Weile gut, bis der Täter plötzlich seine Last in den Schnee warf, aus der Reihe ausbrach und zur Seite sprang. Alle dachten, dass er einen Fluchtversuch machen wolle. Hektisch bemühte sich der für die Bewachung zuständige Polizist, an seine Waffe heranzukommen. Er hatte sich wegen der Kälte einen schweren Wintermantel angezogen, die Pistole aber unter den Mantel geschnallt, und nun kam er nicht an sie heran. Er befürchtete, dass der Tatverdächtige, bis er den Mantel aufgeknöpft hätte, längst im Gebüsch verschwunden wäre. Große Aufregung! Aber nach wenigen Minuten tauchte der vermeintlich Flüchtige vorn an der Spitze des Zuges wieder auf. Es stellte sich heraus, dass er dem Führer der Marschkolonne, der eine falsche Richtung eingeschlagen hatte, lediglich den richtigen Weg zeigen wollte. An einen Fluchtversuch hatte er überhaupt nicht gedacht. Der Tatverdächtige nahm von sich aus die Puppe wieder auf und ordnete sich in seine alte Marschposition ein. Die ganze Aufregung war umsonst.
Im geschilderten Fall handelt es sich nicht um einen Mord durch Erhängen, sondern um einen Mord durch Erdrosseln mit nachträglichem Aufhängen zur Vortäuschung eines Selbstmordes. In einem weiteren Fall wurde auf Grund einer unvollkommenen Fundortuntersuchung und der Fehldeutung von Befunden zunächst auch ein klarer Selbstmord angenommen. Diese Annahme erwies sich aber schon bald als falsch und sollte hinsichtlich der Aufklärung fatale Folgen haben.
Fatale Folgen einer Fehleinschätzung
Es war ein ausgesprochen schöner und warmer Sommertag. Schon am frühen Morgen lachte die Sonne am strahlend blauen Himmel. Kein Wölkchen war zu sehen. Laut Wetterbericht sollte es die nächsten Tage auch so bleiben. Ich war sehr froh darüber, denn für diesen und die kommenden Tage waren mehrere Außensektionen angemeldet, die mit einiger Fahrerei verbunden waren. Und bei schönem Wetter fährt es sich nun mal besser als bei Regen. Bei der Vielzahl der Sektionen war es zweckmäßig, sie nach benachbarten Ortschaften zusammenzufassen. Zunächst waren die Sektionen im südöstlichen Teil Thüringens vorgesehen. Danach sollte der westliche Teil drankommen. Wir fuhren früh los, zunächst in die Gegend von Saalfeld, dann nach Weida, wo wir am späten Nachmittag eine Person mit Leuchtgasvergiftung sezierten. Kurz vor Ende der Sektion wurde ich telefonisch ersucht, auf der Rückfahrt in Gera vorbeizukommen, um mir eine Leiche anzusehen und zu entscheiden, ob eine Obduktion nötig wäre. Nach Meinung der Staatsanwaltschaft handele es sich um einen relativ klaren Selbstmord. In Gera angekommen, wurden wir zum Friedhof verwiesen, da die Leiche sich schon im Krematorium befand, wo am nächsten Morgen die Einäscherung erfolgen sollte. Es wurde schon dunkel und wir mussten erst einen Friedhofsangestellten suchen, der uns in das Krematorium hineinlassen konnte. Endlich am Ort, stand der Sarg schon für die Kremation bereit vor dem Ofen. Wir hoben den Deckel ab, und ich erblickte die Tote, noch so bekleidet, wie sie in ihrer Wohnung aufgefunden worden war. Die Bluse war nach oben zum Hals hin verschoben, der rechte Ärmel vom Arm abgestreift. Um den Hals fand sich eines der damals üblichen Igelit-Elektrokabel, möglicherweise eine Bügeleisenschnur. Sie war dreifach um den Hals geschlungen, die nach oben verschobene Bluse mit eingebunden, aber eigenartigerweise nur in zwei Windungen, die dritte Windung lag unmittelbar auf der Haut.
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