Ermittler in Weiß - Tote sagen aus
Das Gesicht wies mehrere stark geschwollene und blutunterlaufene Bezirke auf; Unterblutungen waren auch im Mund im Bereich des Zahnfleisches sowohl des Ober- als auch des Unterkiefers zu sehen. An den Händen stellte ich im Bereich der Handrücken blutunterlaufene und stark geschwollene Stellen fest, ferner einige kommaförmige Hautdefekte, wie sie durch Kratzer von Fingernägeln entstehen. Die Strümpfe waren vor allem im Kniebereich zerrissen, darunter fanden sich Hautabschürfungen. Nun ist es keineswegs ungewöhnlich, dass sich Selbstmörder beim Erhängen - bedingt durch die mitunter beim Ersticken auftretenden Krämpfe - verletzen. Auch Blut kann aus Mund und Nase austreten, wie es hier geschehen war. Aber derartig massive Verletzungen wie bei dieser Toten sind zumindest ungewöhnlich. Ich konnte deshalb nicht glauben, dass es sich um einen Selbstmord handeln sollte. Vor allem die Lage des Strangwerkzeuges veranlasste mich zu meinen Zweifeln. Ich rief sofort im Kreisamt an und bat darum, mir einen Kriminalisten, der über die näheren Umstände des Auffindens der Leiche Bescheid wusste, auf den Friedhof zu schicken. Dieser erschien auch sehr schnell und fasste folgendermaßen zusammen, was bisher bekannt war: Die Nachbarn der etwa 50jährigen, allein lebenden Frau bekamen diese einige Tage nicht zu Gesicht. Auch auf das heftige Klopfen eines Briefträgers, der ihr einen Einschreibebrief bringen wollte, reagierte sie nicht. Die Haustür war tagsüber immer offen. Man kam gleich in den Flur. Von dort gingen die Stubentüren zu ihrer Wohnung ab. Der Briefträger versuchte nun, die Tür zum Wohnzimmer aufzuklinken, was auch ohne Schwierigkeiten gelang. Als er aber die nach innen aufgehende Tür öffnen wollte, gelang das nur mit einiger Kraftanstrengung. Offenbar lag innen vor der Tür ein schwerer Gegenstand. Als er die Tür soweit aufgedrückt hatte, dass er hineinsehen konnte, stellte er fest, dass der Körper der Wohnungsinhaberin in halb sitzender und halb liegender Position davor lag. Die Frau hing mit einem Elektrokabel in dieser Lage an der Türklinke. In der Stube selbst herrschte einige Unordnung, insbesondere war der rechts von der Tür in der Ecke stehende Kanonenofen halb umgestürzt und das Ofenrohr aus der Wand gerissen. Auch einige Stühle waren umgefallen. Bestürzt über diesen schrecklichen Fund, verständigte der Briefträger sofort den Bürgermeister der kleinen Gemeinde, der mit einigen Gemeinderäten sofort zum Fundort eilte und eine eingehende Besichtigung vornahm. Die Anwesenden gelangten zu der Überzeugung, dass die Frau Selbstmord begangen hatte und verständigten den Ortspolizisten, der sich nach Besichtigung des Fundortes dieser Meinung anschloss und die Kriminalpolizei und einen Arzt verständigte. Sowohl der Kriminalpolizist als auch der Arzt verfügten offensichtlich im Umgang mit nicht natürlichen Todesfällen über keine große Erfahrung und schlossen sich daher der Mehrheitsmeinung an. Die Verletzungen und auch den umgeworfenen Ofen erklärte man durch die Erstickungskrämpfe und somit schien der Fall eigentlich klar. Mein Auftrag, die Leiche trotzdem noch einmal anzusehen, sollte nur der zusätzlichen Absicherung dienen und war zum großen Teil darauf zurückzuführen, dass ich im Nachbarort sowieso eine Sektion durchführen musste. Als ich nun meine begründeten Zweifel äußerte, wurde noch am Abend die Staatsanwaltschaft informiert, die für den nächsten Tag eine gerichtliche Sektion anordnete. Gleich am nächsten Morgen führten wir die Sektion durch, bei der sich neben den schon äußerlich sichtbaren Blutunterlaufungen auch noch weitere innere Blutungen am Kopf und im Bereich des Brustkorbes fanden. Todesursache war eindeutig Ersticken durch Erdrosseln mit nachträglichem Aufhängen. Zweifellos lag hier eine Tötung durch fremde Hand vor. Wir fuhren nach der Obduktion in den kleinen Ort, in dem die Tote gewohnt hatte. Die Wohnung war zum Glück noch versiegelt und somit unverändert. Auf dem Teppich fanden sich sehr viele Katzenhaare, wie ich sie auch schon an der Kleidung der Toten festgestellt hatte. Etwa von der Mitte des Zimmers aus bis zum Fundort an der Tür zog sich eine deutliche, vor allem durch die Katzenhaare markierte Schleifspur hin. Die nach oben verschobene Kleidung der Toten passte ebenfalls zu einem solchen Schleifen. Offensichtlich war der am Boden liegende Körper von der Mitte des Zimmers bis zur Tür gezogen worden. Der Vorgang ließ sich nun
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