Ermittler in Weiß - Tote sagen aus
aufgrund der Befunde so erklären, dass der Täter sein Opfer in der Mitte des Zimmers niedergeschlagen, gedrosselt und dann zur Tür geschleift hatte. Dort hatte er die offenbar bewusstlose Frau mithilfe des mehrfach um den Hals geschlungenen Elektrokabels an der Türklinke aufgehängt, um einen Selbstmord vorzutäuschen. Die Beschaffenheit der Wohnungseinrichtung ließ den Schluss zu, dass er irgend etwas gesucht hatte. Ob tatsächlich etwas fehlte, ließ sich zunächst nicht feststellen, da keine näheren Angehörigen vorhanden waren und die Nachbarn nicht so genau Bescheid wussten. Nach dieser Sachlage nahm die Kriminalpolizei, allerdings mit mehreren Tagen Verzug, die Ermittlungen auf und leitete die Suche nach dem Täter ein. Aber trotz des Einsatzes eines außergewöhnlich großen Personenkreises und umfangreicher Spurensuche fehlten jegliche Hinweise auf den Täter. Sogar ein zur damaligen Zeit keineswegs üblicher Aufruf in der örtlichen, dann auch in der überregionalen Presse führte nur dazu, dass einige Hellseher und ein Pendler ihre Hilfe anboten. Einer schrieb sogar, dass er den Täter mithilfe des siderischen Pendels ermittelt hätte. Nähere Angaben wollte er aber erst nach Bezahlung seiner Bemühungen machen. Aber auch das brachte nichts. Nach mehreren Monaten musste das Ermittlungsverfahren eingestellt werden. Es blieb ein ungeklärter Mord. Mehrere Jahre später, ich war inzwischen von Jena nach Rostock und von dort nach Leipzig berufen worden, besuchte mich ein früherer Doktorand und erzählte mir, dass er als Psychiater die Begutachtung eines Tatverdächtigen in einem Mordfall durchzuführen habe. Wie der Zufall spielt, fiel im Gespräch der Name des kleinen Ortes, in dem seinerzeit der noch ungeklärte Mord geschehen war. Wir sprachen darüber, und es stellte sich heraus, dass der jetzige Tatverdächtige der Nachbarsohn der damals Getöteten war. Der Gedanke lag nahe, ihn mit dem damaligen Ereignis in Verbindung zu bringen. Die daraufhin in dieser Richtung wieder aufgenommenen Ermittlungen führten zum Erfolg. Der junge Mann gestand auch diesen Mord. Er hatte damals in der Wohnung der Nachbarin Geld gesucht und war von ihr überrascht worden. Da sie ihn kannte und er vermutete, dass sie ihn anzeigen würde, hatte er sie getötet. Die Beute betrug lediglich knapp 80 Mark. Auch der Tatvorgang hatte sich wie von uns angenommen vollzogen: Der Mann schlug das Opfer erst nieder und erdrosselte es dann mit dem Elektrokabel, einer Bügeleisenschnur, die er im Nachbarzimmer gefunden hatte, und hängte es schließlich an der Türklinke auf. Übrigens: Der zweite Mord, bei dem mein ehemaliger Doktorand als Gutachter fungierte, wäre sicherlich nicht passiert, wenn der erste Mord aufgeklärt und der Täter verurteilt worden wäre. Wirklich nur ein Unfall? Ein schöner Vormittag: Die auch sonntags notwendigen Arbeiten in der Landwirtschaft waren fast getan. Lediglich zwei junge Männer, Angestellte des Gutes, mussten noch die Kühe im Stall versorgen. Es ging allmählich auf den Mittag zu. Die beiden Freunde unterhielten sich bei der Arbeit über ihre Pläne für den Nachmittag. Wenn alles getan wäre, wollten sie schnell noch das gute Sonntagsessen einnehmen und dann mit dem Bus in die Stadt fahren, wo beide mit ihren Freundinnen verabredet waren. Zunächst beabsichtigten sie, gemeinsam ins Freibad zu gehen. Anschließend sollte in einem Gartenlokal Kaffee getrunken werden. Abendbrot war im Restaurant »Zur Sonne«, wo man besonders gut und preiswert aß, vorgesehen. Den Abend hatten die beiden nicht voll ausgeplant. Sie wollten sehen, wo etwas los ist. Es gab schließlich mehrere Lokale in der Stadt, in denen man tanzen konnte. Aber erst musste die Arbeit beendet werden. Jeder versorgte eine Seite des Kuhstalls. Karl war als Erster fertig. »Ich gehe schon mal vor. Ich muss noch beim Chef vorbei«, rief er seinem Freund Herbert zu. »Ist in Ordnung, ich bin auch gleich fertig«, antwortete Herbert. Karl verließ den Stall. Auf dem Weg zur Unterkunft musste er durch eine alte, jetzt leer stehende Werkhalle. Die früher hier stehenden Maschinen waren ausgeräumt, nur die Transmissionswelle, über die die Maschinen angetrieben worden waren, befand sich noch an der Decke, und zwei alte Transmissionsriemen aus Leder hingen frei herunter. Die Riemen bildeten etwa in Kopfhöhe eine frei hängende Schlaufe. Als Karl durch diese Halle ging und die Transmissionsriemen erblickte, kam ihm die Idee, seinen Freund
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