Ermittler in Weiß - Tote sagen aus
waren. Ich hoffte, dass der Wagen durchhielt und keine Panne eintrat, da die Ersatzteillage in jenen Jahren mehr als katastrophal war. Aber hinsichtlich unseres Zwecks, ohne Genehmigung ins Sperrgebiet zu kommen, war der Weg gut gewählt. Wir sahen auf der ganzen Fahrt nicht einen Russen und kamen nach einer knappen Stunde im betreffenden Dorf an. Die Leiche eines etwa 50jährigen Mannes lag in der Leichenhalle des kleinen Dorffriedhofes. Wir erfuhren, dass der Mann seit etwa einer Woche verschwunden gewesen war. Eine sofort eingeleitete Suchaktion war zunächst erfolglos geblieben. Vor zwei Tagen jedoch hatten Dorfbewohner die Leiche in einem alten, ausgetrockneten und deshalb nicht mehr benutzten Brunnen außerhalb des Ortes gefunden. Es war unklar, wie und warum der Tote in den gar nicht so tiefen Brunnen gekommen war. Und woran war er gestorben? Dass er hineingestürzt war und dabei tödliche Verletzungen erlitten hatte, war unwahrscheinlich. Ertrunken konnte er in einem Brunnen ohne Wasser auch nicht sein. Schließlich: Warum war er nicht wieder herausgeklettert? An der Brunneninnenwand befanden sich noch relativ gut erhaltene Steigeisen, die ein Herausklettern problemlos ermöglicht hätten. So blieb die Vermutung, dass er womöglich vorher schon getötet und die Leiche, um sie zu verbergen, in den Brunnen geworfen worden war. Wir machten uns also an die Arbeit. Außer ein paar oberflächlichen strichförmigen Hautabschürfungen, die zweifellos zu Lebzeiten entstanden waren, fanden sich keinerlei Verletzungen. Auch an den inneren Organen waren krankhafte Veränderungen nicht zu erkennen. Im Gegenteil, die Organe und vor allem die Blutgefäße sahen aus wie bei einem wesentlich jüngeren Mann. Einige Befunde allerdings sprachen für einen Erstickungstod. Aber es blieb zunächst offen, wodurch dieser herbeigeführt worden sein sollte. Die Atemwege waren frei, Strangulationszeichen fanden sich nicht. Für eine Behinderung der Atembewegungen sprach auch nichts, da die Männer, die den Toten geborgen hatten, die Brunnenöffnung als weit schilderten und berichteten, dass der Verunglückte nirgendwo eingeklemmt gewesen war. Ein Ersticken unter weicher Bedeckung kam aus der Fundsituation heraus auch nicht in Betracht. Das wäre nur dann denkbar, wenn es vorher stattgefunden hätte und nach eingetretenem Tod die Leiche in den Brunnen geworfen worden wäre. Dagegen sprach wiederum, dass kein Erwachsener sich ohne massive Abwehr ein Kissen oder einen anderen weichen Gegenstand auf die Atemöffnungen drücken lässt, wenn er bei Bewusstsein ist. Aber Abwehrverletzungen fanden wir nicht. Um die Situation besser beurteilen zu können, beschloss ich, mir den Fundort persönlich anzusehen. Wir fuhren also aus dem Dorf heraus zu dem Brunnen, der sich bei einer alten Scheune in unmittelbarer Nähe der Grenze befand. Es handelte sich um einen aus Feldsteinen gemauerten, etwa eineinhalb Meter im Durchmesser großen und nahezu drei Meter tiefen Brunnen, der völlig trocken war. Am Brunnenrand befanden sich die Reste einer Winde, mit der offenbar früher die Schöpfeimer heruntergelassen worden waren. An der Brunneninnenwand waren Steigeisen eingelassen, die einen recht stabilen Eindruck machten. Sie wurden von den Männern, die die Leiche geborgen hatten, auch problemlos benutzt. Bei genauem Hinsehen fiel mir auf, dass unmittelbar über dem Brunnenboden ein Stein aus der Brunnenwand entfernt worden war. Der entfernte Stein lag etwa einen halben Meter daneben. Es schien da eine kleine Höhle zu sein. Schon wollte einer der Polizisten hinabklettern. Ich hinderte ihn daran, weil mir der Verdacht gekommen war, dass am Grund des Brunnens möglicherweise giftige Gase bzw. Kohlendioxid vorhanden sein könnte. Mit einem Drägerröhrchen wurde dann die Luft am Brunnengrund geprüft und erbrachte tatsächlich den Nachweis von Kohlendioxid in einer nicht unerheblichen Konzentration. Damit war die Todesursache klar. Der 50jährige Mann war an einer Kohlendioxidvergiftung gestorben bzw. am Sauerstoffmangel erstickt, da die Atemluft vom Kohlendioxid verdrängt wird. Schließlich gelang es auch aufzuklären, warum der Verunglückte in den Brunnen hinabgestiegen war. In der kleinen Höhle am Brunnenboden fand sich eine in Ölpapier eingehüllte und eingefettete Pistole, die wahrscheinlich noch aus dem Zweiten Weltkrieg stammte und die der Verstorbene dort versteckt hatte oder verstecken wollte. Die Rückfahrt aus dem Grenzstreifen verlief ebenso
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