Ermittler in Weiß - Tote sagen aus
immer den Tod durch Ersticken herbeiführt, weil die Atemwege durch die Strangulation verschlossen werden. Viel schneller als der Sauerstoffmangel in der Lunge tritt der Sauerstoffmangel im Gehirn auf, der dadurch hervorgerufen wird, dass die vorn seitlich an beiden Seiten des Halses verlaufenden großen Halsgefäße durch den Druck von außen verschlossen werden und kein sauerstoffreiches Blut mehr zum Gehirn transportieren können. Die Blutmenge, die noch durch die Nackengefäße fließt, reicht nicht aus, um das Gehirn in dem notwendigen Maß mit Sauerstoff zu versorgen. Das Gehirn reagiert auf die mangelnde Sauerstoffversorgung zunächst mit Bewusstlosigkeit und - wenn der Sauerstoffmangel weiter bestehen bleibt - mit dem Absterben. Das war auch im vorliegenden Fall eingetreten. Die Kante des relativ starren Lederriemens hatte vorn auf den Hals gedrückt, die großen Halsgefäße verschlossen und den Sauerstoffmangel im Gehirn bewirkt. Die Lage des Kopfes in der Schlinge des Treibriemens war so unglücklich, dass sie sich auch nach Eintritt der Bewusstlosigkeit nicht veränderte, wodurch die Drosselung der Blutzufuhr bestehen blieb. Aus diesem Grunde ging die Bewusstlosigkeit dann über in den Tod. Tod im Grenzgebiet Eines Morgens im Jahr 1954, ich war gerade ins Institut gekommen, erhielt ich einen Anruf von einem Volkspolizeikreisamt im Harz. Es wurde eine gerichtliche Sektion angefordert. Ein Mann war im Grenzgebiet unter mysteriösen Umständen tot aufgefunden worden. Die Sektion sollte die Todesursache klären. Ich sagte noch für den gleichen Tag zu. Nach meiner Zusage sagte aber der zuständige Leiter der Kriminalpolizei, damals kurz K-Leiter genannt, dass der Tote in der Fünf-Kilometer-Sperrzone wohne, dort auch aufgefunden worden sei und die Leiche sich in der Friedhofskapelle des kleinen Dorfes befände. Wir müssten also in die Sperrzone fahren. Im Jahr 1952 wurden in der DDR so genannte neue Grenzsicherungsmaßnahmen an der innerdeutschen Grenze angeordnet und die Fünf-Kilometer-Sperrzone sowie der 500-Meter-Grenzstreifen eingerichtet. Um in die Fünf-Kilometer-Zone zu reisen, benötigte man eine Sondergenehmigung, ebenso für das Betreten des 500-Meter-Streifens. Diese Genehmigung wurde zunächst nur von der Besatzungsmacht, also von den Russen, erteilt. Es musste normalerweise ein Antrag auf Einreise mit entsprechender Begründung gestellt und an die zuständige Kommandantur gerichtet werden. Die Genehmigung wurde nur in seltenen Fällen und auch nur unter bestimmten Bedingungen erteilt. Auch in unserem Fall musste sich der K-Leiter umgehend mit der sowjetischen Kommandantur in Verbindung setzen, um unserer Arbeitsgruppe eine Einreisegenehmigung zu besorgen. Ich sagte ihm rasch die benötigten Personalien und die Daten meines Pkw durch. Nachdem das Sektionsinstrumentarium eingeladen war, ging die Fahrt los. Kurz nach Mittag waren wir an Ort und Stelle. Ich meldete mich im Volkspolizeikreisamt beim K-Leiter, der mich mit einem etwas betretenen Gesicht begrüßte und mir mit großem Bedauern mitteilte, dass wir umsonst gekommen seien. Die sowjetische Kommandantur habe für heute keine Genehmigung zur Einreise ins Grenzgebiet erteilt, weil das gegen die Vorschriften verstoße. Laut Vorschrift müsse der Antrag sechs Wochen vor der geplanten Einreise gestellt werden. Wir könnten also frühestens in sechs Wochen die Einreisegenehmigung erhalten. Die Einwände der Kriminalisten, dass der Todesfall umgehend aufgeklärt werden müsse und nicht Wochen aufgeschoben werden könne, fruchtete nichts. Der zuständige sowjetische Offizier ging trotz der ihm dargelegten Situation nicht von seiner unsinnigen Wartezeit ab. Vorschrift war eben Vorschrift. Während ich mich noch mit dem K-Leiter über die Sturheit des sowjetischen Offiziers empörte und bereits unverrichteter Dinge wieder nach Hause fahren wollte, mischte sich der in der Nähe stehende Kraftfahrer des K-Leiters unvermittelt in das Gespräch ein: »Herr Doktor, wenn Sie sich trauen und bereit sind, ohne Genehmigung in die Sperrzone zu fahren, ich weiß einen Weg, wo bisher noch niemals Kontrollen durchgeführt wurden. Sie können ja hinter mir herfahren. Aber auf eigenes Risiko.« Nach kurzem Überlegen ging ich auf den Vorschlag ein, nachdem auch der K-Leiter, ein Major, sagte, dass er sicherheitshalber mitfahren wolle. Er fuhr mit seinem Wagen vorn, ich hinterher. Es ging durch dichtes Waldgebiet auf Wegen, die gerade noch für einen Pkw befahrbar
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