Ermittler in Weiß - Tote sagen aus
Arbeitsplatz der beiden Toten weiter fortgesetzt worden. Freunde der beiden berichteten, dass sie schon seit längerer Zeit zusammenlebten und vorhatten, demnächst zu heiraten. Allerdings sollte es nach Aussage eines Wohnungsnachbarn in letzter Zeit des öfteren heftige Auseinandersetzungen gegeben haben, die wegen der Lautstärke, in der sie geführt wurden, teilweise von ihm mitgehört werden konnten. Wie sich daraus entnehmen ließ, wollte die junge Frau sich von ihrem Freund trennen, da sie einen anderen Mann kennen gelernt hatte, mit dem sie zusammenziehen wollte. Doch ihr bisheriger Freund habe sie immer wieder beschworen, sich doch alles noch einmal zu überlegen und bei ihm zu bleiben. Auch im Betrieb des jungen Mannes wusste man, dass es zu Hause Spannungen gab. Einem Arbeitskollegen hatte er erzählt, dass er eine Trennung von seiner Freundin nicht überleben würde. Lieber würde er sich und auch sie umbringen. Der Arbeitskollege hatte aber diese Bemerkungen nicht ernst genommen und sie für allgemeines Gerede gehalten. Jetzt, nach dem tödlichen Unfall, bekamen sie aber ein anderes Gewicht. Es war durchaus die Möglichkeit denkbar, dass es sich gar nicht um einen Unfall handelte, sondern um einen Mord und anschließenden Selbstmord. Weil der junge Mann eingesehen hatte, dass seine Freundin die Trennung vollziehen würde und sich nicht mehr umstimmen ließ, konnte er den Entschluss gefasst haben, sie zu töten und sich anschließend selbst umzubringen. Dann musste allerdings die Tötung seiner Freundin eine Strecke vor dem Unfallort erfolgt sein, denn am Unfallort selbst war trotz intensiven Suchens kein Stichinstrument gefunden worden. Nach den neuen Ermittlungen wurde die Fahrstrecke zurückverfolgt, um nach geeigneten Stellen zu suchen. Denn der mutmaßliche Täter hatte sicherlich nach der Lage der Stichwunde nicht im Fahren zugestochen, sondern mit großer Wahrscheinlichkeit dazu unter irgend einem Vorwand angehalten. Und das wahrscheinlich nicht unmittelbar am Straßenrand, sondern möglicherweise in einem Waldweg oder einem anderen geeigneten Ort, wo er nicht befürchten musste, dass jemand hinzukam. Nach intensiver Suche fanden sich an der Einmündung eines Waldweges etwa zwei Kilometer zurück Reifenspuren, die von dem Unfallwagen stammen konnten. Daraufhin wurde die ganze Umgebung äußerst gründlich abgesucht und nach einiger Zeit in einem Gebüsch tatsächlich ein Küchenmesser gefunden, das in der Form durchaus geeignet war, die Stichwunde und den Stichkanal verursacht zu haben. Bei der genauen Untersuchung im Labor entdeckten wir nach Entfernung der Griffschalen Blut an der Klinge. Die weitere Analyse ergab, dass es sich um Menschenblut mit der gleichen Blutgruppe handelte wie bei der Toten. Wir lagen mit unserer Annahme einer vorsätzlichen Tötung durch den jungen Mann vor dem Unfall offensichtlich durchaus richtig. Abermals bestätigt wurde unsere Vermutung, als der Messergriff auf Fingerabdrücke untersucht wurde. Am unteren Ende einer Griffschale befand sich ein noch recht gut auswertbarer Fingerabdruck, der eindeutig von dem jungen Mann stammte. Nachdem er seine Freundin ermordet hatte, war er etwa zwei Kilometer später mit dem Wagen gegen einen Baum gefahren. Die Ermittlungen legten nahe, dass er den Unfall, den er beinahe noch überlebt hätte, in selbstmörderischer Absicht selbst verursacht hatte.
Nicht selten bin ich gefragt worden, wie ich als Gerichtsmediziner den ständigen Umgang mit Toten, die auf tragische Weise ums Leben gekommen sind, verkrafte. Auch die Frage, wie ich mit dem Leid der Hinterbliebenen, das ich tagtäglich kennen lerne, fertig werde und ob der ständige Umgang mit Tod und Leid nicht abstumpfe, interessierte viele. Natürlich belasten die einzelnen Vorgänge den Obduzenten in jedem Fall mehr oder weniger stark. Bei mir war das immer besonders dann der Fall, wenn es sich um Kinder handelte, vor allem dann, wenn diese Kinder im Alter der eigenen waren. Ich stellte dann immer Vergleiche mit den eigenen Kindern her und erwog die Möglichkeiten, dass ihnen etwas ähnliches passieren könnte. Aber da man sich zunächst auf die Lösung des Falles konzentrieren muss, kann man sich die ganze Tragik des Einzelfalles, das Leid, das der Vorfall bei den Angehörigen hervorruft, nicht ständig in vollem Umfang klar machen. Oft stellt sich das Bewusstsein der ganzen Tragik eines Vorfalls erst später ein. Zum anderen sind die einzelnen Fälle in ihrer Auswirkung sehr
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