Ermittler in Weiß - Tote sagen aus
versuchte, ihn in der Küche einzusperren, um ihn so lange am Verlassen der Wohnung zu hindern, bis er es sich wieder anders überlegt hätte. Allerdings gelang es ihr nicht, die Tür zuzuschließen. Nach Marthas späterer Aussage hatte Ede plötzlich ein großes Küchenmesser in der Hand und bedrohte sie damit. Er versuchte, auf sie einzustechen, aber Martha konnte ihm das Küchenmesser entwinden und stach nun ihrerseits durch die um einen Spalt geöffnete Tür auf ihn ein, worauf er von ihr abließ, sich zum Küchentisch schleppte und auf einen Stuhl setzte. Dann fiel sein Oberkörper auf den Tisch, und er bewegte sich nicht mehr. Unter dem Tisch bildete sich eine große Blutlache. Martha erschrak gewaltig und schrie auf: »Das habe ich nicht gewollt. Mach keinen Quatsch, komm heraus, wir wollen uns wieder vertragen.« Aber er rührte sich nicht. Marthas Angst steigerte sich, zumal sie keine Atmung mehr feststellen und auch den Puls nicht fühlen konnte. Offensichtlich war Ede tot. In ihrer Angst zog sie sich schnell einen Mantel über das Hemd, lief zu einer Freundin und erzählte ihr die ganze Geschichte. Diese empfahl ihr nach kurzer Beratung, gemeinsam zur Polizei zu gehen. Auf dem Polizeirevier schilderte Martha noch einmal den Tathergang und behauptete dabei, ihren Freund nur aus Notwehr getötet zu haben, nachdem er zuerst auf sie eingestochen und sie am Gesäß verletzt habe. Als Beweis wies sie einen größeren Blutfleck im Hemd in der Gesäßgegend vor. Wiederholt beteuerte sie, dass sie sich nur wehren, ihn aber auf gar keinen Fall töten wollte. Sofort begaben sich zwei Polizisten in die Wohnung, um sich von der Richtigkeit der Angaben zu überzeugen. Ohne etwas zu verändern, versiegelten sie die Wohnung und benachrichtigten die Kriminalpolizei, die auch sofort kam und den Toten in der beschriebenen Lage am Tisch vorfand. Am Morgen wurde außer dem Staatsanwalt auch die Gerichtsmedizin verständigt, und ich begab mich ebenfalls an den Tatort. Dort erblickte ich ein arg verwüstetes Zimmer, in dem überall Wurfgeschosse herumlagen: Es waren nicht nur ein, sondern mehrere Blumentöpfe zu Bruch gegangen, Pflanzen und Erde lagen weit verstreut auf dem Boden, die Scherben eines Blumentopfes hingen samt Inhalt noch in der Gardine. Das Bett war zerwühlt, Kissen, die offensichtlich ebenfalls als Wurfgeschosse benutzt worden waren, verteilten sich malerisch im Zimmer. Die Küchentür stand halb offen, und man sah den Toten mit dem Oberkörper auf dem Küchentisch liegen, mit dem Rücken zur Tür. Auf dem Tisch fand sich eine große Blutlache, das Blut war auf den Boden heruntergetropft und hatte dort ebenfalls eine sehr große Blutlache gebildet. In dieser lag ein großes Brotmesser, das offenbar aus der Stichwunde im Oberkörper herausgefallen war. Die Totenstarre war bereits eingetreten. Die Leiche wurde im Institut seziert, wobei sich im Bereich der rechten Schulter vorn eine große Stichwunde mit einer deutlichen einseitigen Schwalbenschwanzbildung zeigte. Diese war folglich von einem einschneidigen Instrument verursacht worden, womit das Brotmesser infrage kam. Außerdem fand sich noch eine Stich-Schnittverletzung am rechten Unterarm, die offenbar entstanden war, als der Tote den Unterarm zur Abwehr vor den Körper gehalten hatte. Der Stichkanal von der Brustwunde aus führte tief in den Brustkorb Richtung Herz, das aber nicht erreicht wurde. Jedoch war ein großes arterielles Gefäß durchtrennt worden, wodurch der Verblutungstod eingetreten war. Der Stichkanal hatte etwa die gleiche Länge wie die Messerklinge. Somit war das Messer bis zum Heft in den Körper hineingestoßen worden. Die Verletzung am Arm hingegen erwies sich nur als oberflächlich und ziemlich bedeutungslos. Für die Rekonstruktion des Tatgeschehens war die Anordnung der Blutspuren an der Innenseite der Tür und an der Wand in der Küche von Bedeutung. Es handelte sich hierbei um zahlreiche Blutspritzer aus der blutenden Arterie im Schulterbereich. Entsprechend dem Pulsschlag waren die Blutspuren an Tür und Wand angeordnet und ließen den Weg des schwer verletzten Mannes erkennen. Ganz offensichtlich hatte er den Stich erhalten, als er hinter der halb geöffneten Tür stand. Dann war er, sich mit den Händen abstützend, an der Wand entlanggegangen, hatte sich auf den Stuhl gesetzt und war am Tisch zusammengebrochen. Die Angaben der Täterin in dieser Frage stimmten also im Großen und Ganzen. Etwas anders verhielt es sich mit ihren
Weitere Kostenlose Bücher