Ermittler in Weiß - Tote sagen aus
genannten Kessel wohl kaum möglich sei, gab er an, die Knochen vor dem Verbrennen zunächst mit einem Beil weitgehend zerkleinert zu haben. Die Asche, in der sich tatsächlich noch Knochenreste befanden, habe er in einen nahe beim Haus gelegenen Teich geworfen. Obwohl mehrere Jahre vergangen und im Winter bei Schneeschmelze mehrmals Überschwemmungen aufgetreten waren, wurde das Wasser des Teiches abgelassen, um nach eventuell noch vorhandenen Knochenresten suchen zu können. Es wurden zwar einige Knochen gefunden, diese erwiesen sich aber ganz eindeutig als Tierknochen. Erneut änderte der Beschuldigte seine Aussage ab und erklärte jetzt, die Leichen weder zerstückelt noch verbrannt, sondern auf seinem oberhalb des Hauses gelegenen Acker vergraben zu haben. Da der Beschuldigte nach so langer Zeit die genaue Stelle angeblich nicht mehr genau bezeichnen konnte, wurde eine Gruppe Bereitschaftspolizei angefordert und mit dem Umgraben des gesamten Ackers beauftragt. Als die Arbeit fast abgeschlossen war, ohne dass etwas gefunden wurde, widerrief der Beschuldigte abermals seine Aussage. Jetzt wollte er die Leichen nicht vergraben, sondern in einem alten und halb verfallenen Bergwerksstollen versteckt haben. Obwohl wir kaum noch an einen Erfolg glaubten, wurden wir diesmal tatsächlich fündig. Wir stießen tief im Stollen auf drei Skelette, die noch verhältnismäßig gut erhalten waren. Alle drei wiesen schwere, offensichtlich von einem Beil herrührende und mit hochgradigen Zertrümmerungen der Schädelknochen einhergehende Hiebverletzungen auf. An einigen dieser Knochenverletzungen waren auch nach so vielen Jahren noch deutliche Schartenspuren zu erkennen. Bei Schartenspuren handelt sich um Spuren, die beim Durchtrennen der Knochen an den Rändern der Durchtrennungsstelle entstehen und die durch die Beschaffenheit der Schneide eines Beils verursacht werden. Durch den früheren Gebrauch des Beils sind Scharten entstanden, die sich im Knochenrand widerspiegeln und für jedes einzelne Hiebinstrument typisch sind. Es sind also individuelle Spuren, die sich in günstigen Fällen einem ganz bestimmten Werkzeug zuordnen lassen. Als im Anwesen des Platzwarts nach einem Beil gesucht wurde, fand sich in einem Schuppen tatsächlich ein stark verrostetes, offenbar lange nicht benutztes Beil. Die intensive Untersuchung der Schneide ergab einige Stellen, wo die Schartenspuren mit denen an den Knochenverletzungen übereinstimmten. Erst jetzt fand sich der Beschuldigte bereit, den wahren Hergang der Tat zu schildern. Danach hatte es an dem besagten Abend tatsächlich einen heftigen Streit mit seiner Frau und mit seiner Schwiegermutter gegeben. Beide hielten ihm vor, fremd zu gehen. Obwohl die Vorwürfe zutrafen, hatten sie ihn so in Wut versetzt, dass er mit dem Beil zunächst auf seine Frau einschlug, die sofort zusammenbrach. Weil die Schwiegermutter daraufhin laut um Hilfe schrie, erschlug er sie ebenfalls mit dem Beil. Dann kam die kleine Tochter hinzu, erblickte die beiden Frauen am Boden liegend und ihn noch mit dem Beil in der Hand daneben stehend und sagte: »Du hast Mutti und Oma erschlagen. Du bist ein böser Mann.« Aus Angst, verraten zu werden, tötete er auch sie. Wie sich später herausstellte, war der eigentliche Grund für die Ermordung der drei Personen das damals schon bestehende Verhältnis mit seiner späteren Lebensgefährtin und die Weigerung seiner Frau, in eine Scheidung einzuwilligen.
Gerade bei Stichverletzungen wird nicht selten behauptet, dass es sich um Notwehr gehandelt habe und der Angriff nur mit Hilfe einer Stichwaffe abgewehrt werden konnte. Angegeben wird ferner, dass das Opfer in die Stichwaffe hineingelaufen oder -gefallen sei. Der Wahrheitsgehalt solcher Behauptungen muss natürlich überprüft werden. Hierzu können das Aussehen der Verletzungen und der Verlauf des Stichkanals Hinweise geben. Beide müssen deshalb besonders unter dieser Fragestellung untersucht werden.
War es Notwehr?
In der alten verräucherten Kneipe am Hafen herrschte viel Betrieb. Alle Tische waren besetzt, nur einzelne Stühle noch frei. Hin und wieder ging ein Gast, dafür kamen aber immer wieder neue hinzu. Die meisten Besucher saßen jedoch schon seit Stunden zusammen und fühlten sich trotz des Lärms und trotz des Qualms offenbar wohl. Immerhin musste man schon sehr laut reden, um sich mit seinen Tischnachbarn unterhalten zu können. Vorwiegend Männer waren Gäste dieses Etablissements, in dem
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