Ermittler in Weiß - Tote sagen aus
betreffenden Namen niemals an der Universität tätig war. Nicht immer waren es verbrecherische Schwindler schlechthin, die in die Rolle des Arztes schlüpften. Manche dieser Pseudoärzte wurden mehr oder weniger durch die Umstände in ihre Funktion hineingedrängt. Mir sind mehrere Fälle bekannt, bei denen es sich um ehemalige Sanitätsdienstgrade handelte, die lange Jahre in Kriegs-, Feld- oder Reservelazaretts der Wehrmacht tätig waren und sich eine große praktische Erfahrung angeeignet hatten. Zum Teil waren sie in der Kriegsgefangenschaft von den Alliierten als Arzt eingesetzt worden und hatten sich in dieser Funktion bewährt. Der Arztmangel war am Kriegsende und in den ersten Nachkriegsjahren mancherorts groß, weil viele Ärzte gefallen waren. Die Sanitätstruppe gehörte zweifellos zu den Waffengattungen, bei denen sehr hohe Verluste aufgetreten waren. Nicht selten wurden Medizinstudenten in Krankenhäusern als Hilfsärzte eingesetzt. Auch ich war in meinen letzten klinischen Semestern als Hilfsarzt im städtischen Krankenhaus von Jena tätig gewesen. Unter diesen Umständen verwundert es nicht, dass die Zahl falscher Ärzte in den ersten Nachkriegsjahren besonders hoch war. Von einem der unglaublichsten Fälle, die mir auf diesem Gebiet begegnet sind, handelt der folgende Bericht.
Ein Hochstapler als Arzt
Anlässlich einer Außensektion in einer psychiatrischen Einrichtung wurde ich an einen Fall erinnert, von dem ich in meiner Zeit als Stationsarzt in der Nervenklinik bereits gehört hatte. Später lernte ich den Betreffenden bei einer Nachuntersuchung auch persönlich kennen. Der Fall wies unglaubliche Züge auf und sorgte noch lange Zeit für Gesprächsstoff in der ganzen Klinik. Ich wurde von den bei der Sektion anwesenden Klinikärzten gefragt, ob ich nicht einen Dr. Freiherr von W. kennen würde. Er habe sich in der Klinik um die Stelle des ärztlichen Direktors beworben und dabei angegeben, dass er längere Zeit in der Universitätsnervenklinik gearbeitet hätte. Mein Name sei in dem Bewerbungsschreiben als Referenz genannt worden. Ich musste nicht lange überlegen, um mir den mehrere Jahre zurückliegenden Fall ins Gedächtnis zu rufen. Sofort war mir klar, um wen es ging. Es handelte sich allerdings nicht um einen in der Klinik tätigen ärztlichen Kollegen, sondern um eine Person, die sich zur Begutachtung dort aufgehalten hatte. »Gesäßspritze« zu geben. Nachdem er diese bekommen hatte, operierte er flott weiter. Kurz darauf ertönte aus der Operationswunde ein Zischen. Der Arzt erschrak sichtlich und rief: »Au, verflucht! Jetzt habe ich einen Pneu gesetzt.« Aber danach operierte er ruhig weiter. Etwas später wurden der Herzbeutel und das schlagende Herz in der Operationswunde sichtbar. Er zeigte die Organe zunächst den anwesenden Frauen und forderte sie darüber hinaus auf, weitere Leute aus dem Haus zu holen, damit er ihnen ebenfalls das Herz zeigen könnte. Den aus dem Haus hinzugezogenen Personen erschien die ganze Situation äußerst ungewöhnlich und fragwürdig. Sie fürchteten für das Leben der Patientin und verständigten heimlich die Kriminalpolizei, die kurz danach eintraf und einen Chirurgen mitbrachte. Dieser fand eine nackt auf dem Bett liegende ältere Frau vor, bei der eine etwa 15 Zentimeter breite, quer verlaufende Wunde im Bereich des fünften Rippenzwischenraumes zu erkennen war. Die linke Brusthöhle war eröffnet, die Lunge zurückgesunken. Der Herzbeutel war intakt. Auf einem mit einem Bettlaken abgedeckten Waschtisch lagen einige Instrumente, Verbandsmittel und Medikamente. Der Operateur erläuterte dem Chirurgen, dass er zunächst Herzmittel gegeben habe. Da aber deren Wirkung besser sei, wenn man sie direkt auf das Herz aufbringe, habe er das Herz freigelegt. Später, bei der Begutachtung in der Klinik, variierte er seine Angaben über den Verlauf der Operation. Einmal behauptete er, er hätte das Herz mit Sympatol, einem Kreislaufmittel, bespült. Dann erklärte er, Medikamente direkt ins Herz gespritzt zu haben. Beim nächsten Mal wiederum äußerte er, das Herz me-chanisch gereizt zu haben, indem er die Herzspitze mehrfach mit der umgedrehten Pinzette bestrich, um so das Herz anzuregen. Als der Chirurg Dr. v. W. fragte, was er weiter mit der Wunde zu tun gedenke, lautete die Antwort: »Ich werde die von mir entwickelte Salbe >Wilckosan< in die Wunde schmieren und dann die Wundränder mit Heftpflaster zusammenziehen. Dann wird alles bestens
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