Ermittlerpaar Moretti und Roland 02 - Suendenspiel
niemand Bericht erstattet«, antwortete Oberst Bechmann abweisend.
Liv sah zu ihrem Kollegen.
»Es gibt da nur eine Sache, die meinen Kollegen und mich verwundert.«
»Und die wäre?«
»Es macht nicht gerade den Eindruck, als wäre das Militär sonderlich an einer Zusammenarbeit mit uns interessiert. Ein Mensch ist auf Ihrem Gelände vergraben worden. Ermordet und zerstückelt. Da sollte man doch glauben, dass Sie ein Interesse daran haben, von jedem Verdacht enthoben zu werden.«
Oberst Bechmann richtete sich in ihrem Stuhl auf. Ihre Lippen kämpften gegen die Zuckungen ihrer Mundwinkel an, während ihre Augen die Schauspielerei längst aufgegeben hatten.
»Es ist nun einmal so, dass die Politiker den Entschluss gefasst haben, der Öffentlichkeit Zugang zu unseren Übungsplätzen zu gewähren. Das bedeutet natürlich, dass hier jeder x-Beliebige herumlaufen und irgendetwas vergraben kann, wenn nicht gerade eine Übung stattfindet. Solange das so ist, verstehe ich nicht, warum wir verdächtiger sind als irgendwelche anderen. Und soweit ich weiß, steht niemand von uns auf der Liste der Verdächtigen. Sollte es dazu kommen, sind wir natürlich gerne zur Zusammenarbeit bereit, natürlich innerhalb der für uns geltenden Rahmenbedingungen«, sagte sie, ohne die Stimme auch nur im Mindesten zu heben.
»Nun, wir sind noch lange nicht so weit, eine konkrete Liste zu haben«, murmelte Miroslav.
»Nein, so weit sind wir noch nicht«, wiederholte Liv.
»Darf ich dann vorschlagen, dass Sie sich wieder melden, wenn Sie eine solche Liste haben und der Name eines unserer Soldaten darauf steht?«, sagte Oberst Bechmann und klang zum ersten Mal richtig abweisend.
»Das dürfen Sie, und das werden wir tun«, sagte Liv und stand auf. »Wir wollen Sie dann nicht länger aufhalten.«
Ein Soldat führte Miroslav und Liv den langen, schönen Fahnengang hinunter. An den rot gestrichenen Wänden hingen Bilder von Offizieren, Fahnen und Säbel mit gekreuzten Klingen. Dazwischen prangten Glasvitrinen mit silbernen Pokalen und Schalen, und ganz am Ende des Ganges war ein Bild der Königin platziert, die in weißem Kleid und Hut die Kaserne besucht hatte, als ihr Sohn Prinz Joachim hier auf der Schule gewesen war. Er trug Uniform und salutierte vor seiner Regentin und Mutter.
Als sie auf dem Platz vor dem Hauptgebäude standen, zündete Liv sich eine Zigarette an. Miroslav schüttelte den Kopf, als sie auch ihm eine anbot. Sie standen einen Moment frierend da und sahen sich an.
»Was denkst du?«, fragte sie.
»Über die Bechmann?«
Sie nickte und nahm einen tiefen Zug.
Miroslav zuckte mit den Schultern.
»Das war wohl zu erwarten. Das Militär ist ja nicht gerade für seine Offenheit bekannt.«
Sie nickte und atmete den Rauch aus, der eine Weile in der Luft stehenblieb. Dann sagte sie lachend, dass es wohl auch nicht für seine Toleranz bekannt sei. Sie hätten wirklich nichts erfahren, das sie gebrauchen könnten.
Sie gingen langsam in Richtung ihres Wagens.
»Ist das hier sehr anders als da, wo du herkommst?«, fragte sie neugierig.
Er sah sie an und rang sich eines seiner charmanten Lächeln ab.
»Was? Die Polizeiarbeit oder die Militärbosse?«
Liv blieb mitten in einem Zug stehen und lachte lautlos.
»Die Polizeiarbeit?«
»Schon, die ist schon anders«, sagte er.
Liv nahm einen weiteren Zug und sah ihn nachdenklich an. Zwischen seinen braunen Augen hatte sich eine Falte gebildet, die sonst nicht da war, so dass er sehr nachdenklich aussah.
»Hast du in Srebrenica auch Ermittlungsarbeit gemacht?«
»Für wie alt hältst du mich eigentlich?«, fragte er. »Ich hatte damals gerade erst meine Ausbildung begonnen, konnte sie aber nicht beenden.«
»Was ist passiert?«
Miroslav zuckte mit den Schultern. Sein Blick glitt auf einmal in weite Ferne. Sie wusste, dass sie vorsichtig sein musste. Sie kannte nicht wirklich viel von seiner Geschichte. Er war ein Flüchtling aus Bosnien, ein Moslem, der in Srebrenica aufgewachsen war und als einer der wenigen das Massaker 1995 überlebt hatte.
»Der Krieg kam. Die Serben.«
»Und dann bist du geflohen?«
Er nickte. Sie hatten das Auto erreicht, und Liv entriegelte es mit der Fernbedienung. Sie drückte ihre Zigarette auf dem Boden aus und sah ihn über das Dach hinweg an, bevor sie einstiegen. Sie war nicht dafür bekannt, alles in Watte zu verpacken. Sie hatte gelernt, dass es das Beste war, direkt zu fragen, wenn sie etwas wissen wollte. Natürlich hatte sie damit
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