Ermittlerpaar Moretti und Roland 02 - Suendenspiel
doch gerade erst zur Tür hereingekommen.«
Carsten stand auf, holte sich eine Tasse und füllte sie mit Kaffee aus der Thermoskanne.
»Sonst noch was, Carsten?«, fragte Roland ungeduldig.
Carsten würde nicht weiterreden, bevor er nicht einen Schluck Kaffee getrunken hatte. Das wusste Roland ganz genau.
»Bäh…! Hättet ihr nicht sagen können, dass der von heute Morgen ist?«, schimpfte er und spuckte den Kaffee zurück in die Tasse.
»Sonst noch was, Carsten?«, wiederholte Roland.
Carsten kippte den restlichen Kaffee ins Waschbecken.
»Er ist Arzt und hat hier in der Stadt eine Privatpraxis. Ist ziemlich beliebt«, sagte er. »Aber so ein Typ, der für sich bleibt. Er kennt nicht viele in der Stadt und umgibt sich außer mit seinen Patienten kaum mit jemandem.«
»Ein Arzt?«, fragte Roland und schrieb es an die Tafel. »Was wissen wir sonst noch?«
»Nichts.«
Carsten setzte sich und blätterte in seinem Notizblock, der seitenweise handschriftliche Notizen enthielt. Sicher folgte noch ein umfassenderer Bericht. Man konnte Carsten viel vorwerfen, aber nicht, dass er nicht gründlich war.
»Ein netter Kerl, habe ich notiert. Nicht so wie die anderen Ausländer. Ja, tut mir leid, Miro. Das waren die Worte der Friseurin, weißt du«, lachte er entschuldigend.
Miroslav sah nicht so aus, als hätte er die Bemerkung mitbekommen.
»Stimmt das mit den Informationen überein, die du über den Toten gesammelt hast?«, fragte Roland ihn. »Also, dass er Arzt war?«
Miroslav nickte und starrte auf den Bildschirm vor sich. Er las etwas nach und bestätigte langsam, dass Esad Nuhanovic tatsächlich eine Privatpraxis hatte. Er war von Bosnien nach Dänemark gekommen. In seiner Heimat hatten die Serben ihn verfolgt, weil er Moslem war.
»Das ist ja wie deine Geschichte, Miro«, platzte Carsten heraus.
Nicht gerade sensibel, dachte Roland. Es war schließlich nicht das Gleiche, wie wenn man herausfand, dass man im selben Handballclub war oder seine Schuhe im gleichen Laden kaufte.
Miroslavs Blick richtete sich auf Carsten.
»Und wenn schon? Willst du mich fragen, ob ich ihn kenne?« Carsten zuckte mit den Schultern.
»Bewahre …«
»Kennst du alle aus Westjütland, wenn du sie auf Teneriffa triffst?«
Carsten zuckte wieder mit den Schultern.
»Die meisten.«
Er versuchte, ein Grinsen zu unterdrücken.
Roland fasste sich an den Kopf.
»Nein, natürlich kenne ich nicht alle«, sagte er dann.
»Außerdem ist meine Mutter Kroatin, es ist also überhaupt nicht das Gleiche. Informiere dich lieber ein bisschen besser, bevor du dich zu Sachen äußerst, von denen du keine Ahnung hast, okay?«
Roland gab Carsten ein Zeichen, den Mund zu halten, und wandte sich an Miroslav.
»Red weiter.«
Miroslav schaute wieder auf seinen Bildschirm.
»Er ist 2001 nach Sønderborg gezogen, wo er eine Praxis übernommen hat, die seit Jahren leerstand.«
»Angehörige?«
Miroslav runzelte die Stirn.
»Er hinterlässt einen Sohn.«
»Nur einen Sohn? Keine Frau?«, fragte Roland überrascht.
Miroslav blickte auf, ohne den Kopf zu heben.
»Nein. Der Sohn heißt Safet Nuhanovic, ist 17 Jahre alt und wohnt zu Hause. Eine Mutter gibt es nicht.«
Roland seufzte und dachte an seinen Sohn Peter, der gerade achtzehn geworden war und noch nicht entdeckt hatte, dass es im Leben mehr gab als Gymnasium, Computerspiele, Kameraden und hin und wieder Mädchen. Nuhanovics Sohn, Safet, war ein Jahr jünger, aus einem Krieg geflohen und hatte nun beide Eltern verloren.
Roland schrieb den Namen des Sohns an die Tafel und wandte sich dann wieder den anderen zu. Es gab jetzt nichts Wichtigeres, als dem Jungen Bescheid zu geben, dachte er, legte den Stift weg und setzte diese Erkenntnis unmittelbar in die Tat um.
»Wir beenden die Besprechung jetzt. Liv, du musst deine Zigarette später rauchen. Du kommst mit mir«, sagte er und verschwand aus dem Raum.
Liv stand auf, steckte sich die Zigarette hinter das rechte Ohr und warf sich die Lederjacke über die Schulter, ehe sie den anderen zunickte und ihm mit langen Schritten folgte.
Laut Polizeihandbuch mussten sie solche Botschaften immer zu zweit überbringen, außerdem war es nicht schlecht, wenn eine Frau dabei war, wenn der einzige Hinterbliebene ein Siebzehnjähriger war.
6
S ønderborg war eine Stadt mit großer Geschichte. Das spürte man, dachte Roland, als er in dem grauen Wetter durch die Straßen fuhr. Sie kamen auf den Strandvej, und in der Ferne glaubte er, das Schloss
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