Ermittlerpaar Moretti und Roland 02 - Suendenspiel
an die Grenzen zu gehen, und wir können nur hoffen, dass sie sie dieses Mal überschreiten. Die meisten Soldaten der Schule fahren an den Wochenenden nach Hause, aber die beiden haben keine Familien oder Freundinnen, zu denen sie fahren können, und daher bleiben sie meistens in der Kaserne und gehen zusammen in die Stadt. Normalerweise beginnen sie den Abend im Maybe Not Bobs unten auf dem Rådhustorvet, wo eine Stripperin auftritt. Danach ziehen sie weiter durch verschiedene Bars. An einigen Wochenenden sind sie sturzbesoffen mit dem Auto nach Åbenrå gefahren, wo sie im La Boîte geendet sind. Sie kennen einen der Türsteher, der sie kostenlos reinlässt. Der war früher selbst Schüler auf der Unteroffiziersschule. Damit haben sie mehrfach herumgeprahlt. Es kommt aber auch vor, dass sie ins Buddy Holly hier in der Stadt gehen.«
»Und weiter? Was weißt du noch über sie? Und über Jacob Adamsen und Christoffer Lorentzen?«, fragte Liv.
Max erzählte, er habe nach dem Selbstmord von Lorentzen so einiges über ihn gehört. Über seinen Tod machten eine Menge Gerüchte die Runde.
»Er soll einen Brief hinterlassen haben, den er zwischen Matratze und Bettpfosten gesteckt hat. Aber das gleiche Gerücht will auch wissen, dass dieses Schreiben bei seiner Vorgesetzten gelandet und von ihr vernichtet worden ist. Aber ob das stimmt, weiß ich nicht, ich habe nirgends eine Bestätigung dafür gefunden.«
»Die Familie hat diesen Brief nie zu sehen bekommen?«, fragte Liv. Das konnten sie doch nicht machen.
»Anscheinend nicht«, bestätigte Max.
In Livs Kopf schwirrten die verschiedensten Gedanken herum. Hatten die Soldaten Esad Nuhanovic getötet und zerstückelt? Hatte das in dem Brief gestanden, den niemand sehen durfte? Das Mordmotiv verursachte ihr Schüttelfrost. Konnten sie den grauen dänischen Alltag mit seiner fehlenden Spannung nach ihrem Auslandseinsatz nicht ertragen? Hatten sie Jacob Adamsen deshalb gezeigt, was man mit Verrätern machte, und ihm den Mord angehängt?
»Was weißt du über Oberst Bechmann?«
»Das Einzige, was ich über sie weiß, ist, dass unter den Soldaten die Ansicht herrscht, sie sei dort, damit die Armee gut aussehe. Weil sie eine Frau ist, meinen sie. Der Armee mangelt es an weiblichen Führungskräften. Die Soldaten in der Kaserne haben nicht einen Funken Respekt vor ihr. Sie ist nicht im Auslandseinsatz gewesen und in ihren Augen daher kein echter Soldat und erst recht kein richtiger Offizier. Sie ist für die Paraden und so etwas da, darüber hinaus ist sie aber nahezu unsichtbar und hat nichts mit den Soldaten zu tun. Sie gibt sich nicht mit ihnen ab.«
»Dann hat sie, deiner Meinung nach, nichts mit dem Mord zu tun?«, fragte Liv. »Hatte sie irgendeine Auseinandersetzung mit Esad Nuhanovic? Sie hat ihn gekannt und hat dies vor der Polizei geheim gehalten.«
»Wenn du mich fragst, geht es für sie ausschließlich darum, nach außen hin die Fassade zu wahren«, antwortete Max. »Es muss etwas in dem Brief gestanden haben, das dem Ruf der Schule und der Armee geschadet und damit auch ihre Karriere ruiniert hätte, wäre es an die Öffentlichkeit gekommen.«
Die Tür zum Kommandoraum ging auf, und Carsten stand wieder vor ihnen, das Handy in der Hand. Liv sah sofort, dass sich sein Gesichtsausdruck verändert hatte. War Jacob tot?, fragte sie sich.
»Jacob Adamsen wurde heute Morgen aus dem Koma geholt und hat sich heute Mittag selbst entlassen. Niemand weiß, wo er ist. In der Kaserne ist er auch nicht.«
»Was zum Teufel soll das?«, sagte Miroslav. »Ich habe ihnen ausdrücklich gesagt, dass wir mit ihm sprechen müssen, als ich da war.«
»Offensichtlich nicht deutlich genug.«
Liv überlegte eine Sekunde. Jetzt mussten sie schnell sein. Sie bat Carsten und Lind, Jacob um jeden Preis zu finden und aufs Revier zu holen.
»Sucht in der Kaserne, ruft seine Mutter an und bittet die Kollegen in Odense, einen Streifenwagen zu seiner Wohnung zu schicken. Wir müssen ihn finden, bevor seine Freunde das tun. Max, Miroslav und ich beschatten die beiden anderen.«
»Ich fahre mit Max«, sagte Anette.
»Okay«, sagte Liv und dachte, dass sie jetzt, wo Roland nicht da war, jedes weitere Augenpaar gut gebrauchen konnten. »Du fährst mit Max, ich mit Miroslav.«
Dann verließen sie das Polizeipräsidium und schwärmten auf unterschiedlichen Wegen in die Nacht aus.
29
L iv und Miroslav parkten an der Kreuzung Agtoftsvej und Torvet und warteten. An der Ecke vor ihnen war
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