Ernest Hemingway
Schwester.»
Der Doktor warf ihm eine Schale voll Jod ins Gesicht. Als er geblendet auf ihn zukam, tastete der Leutnant nach seinem Revolver. Der Doktor sprang geschwind hinter ihn, stellte ihm ein Bein, und als er zu Boden fiel, gab er ihm ein paar Fußtritte und hob mit seinen Gummihandschuhen den Revolver auf. Der Leutnant saß auf dem Boden und hielt seine heile Hand vor die Augen.
«Ich töte Sie», sagte er. «Ich töte Sie, sobald ich sehen kann.»
«Ich bin hier der Herr», sagte der Doktor. «Alles ist vergeben, da Sie wissen, daß ich hier der Herr bin. Sie können mich nicht töten, weil ich Ihren Revolver habe. Sergeant! Adjutant! Adjutant!»
«Der Adjutant ist an der Drahtseilbahn», sagte der Sergeant.
«Wischen Sie dem Offizier da die Augen aus mit Alkohol und Wasser. Er hat Jod drin. Bringen Sie mir die Schüssel zum Händewaschen. Als nächster kommt der Offizier hier dran.»
«Sie rühren mich nicht an.»
«Halten Sie ihn fest. Er phantasiert ein bißchen.»
Einer der Krankenträger kam herein.
«Herr Stabsarzt?»
«Was wollen Sie?»
«Der Mann in der Totenkammer…»
«Machen Sie, daß Sie rauskommen.»
«… ist tot, Herr Stabsarzt. Ich dachte, Sie würden es gern wissen.»
«Sehen Sie, mein armer Leutnant, wir streiten uns um nichts. Mitten im Krieg streiten wir uns um nichts.»
«F… Sie sich selbst», sagte der Artillerieleutnant. Er konnte noch nicht sehen. «Sie haben mich geblendet.»
«Das ist nichts», sagte der Doktor. «Ihre Augen sind bald wieder in Ordnung. Das ist nichts. Ein Streit um nichts.»
«Hilfe! Hilfe! Hilfe!» schrie der Leutnant plötzlich. «Sie haben mich geblendet! Sie haben mich geblendet!»
«Halten Sie ihn fest», sagte der Doktor. «Er hat heftige Schmerzen. Halten Sie ihn ganz fest.»
Wein aus Wyoming
Es war ein heißer Nachmittag in Wyoming; die Berge waren sehr weit weg, und man konnte Schnee auf ihren Spitzen sehen, aber sie warfen keinen Schatten, und die Getreidefelder im Tal waren gelb, die Straße war staubig von den vorbeifahrenden Autos, und all die kleinen Holzhäuser am Rande der Stadt schmorten in der Sonne. Ein paar Bäume beschatteten Fontans hintere Veranda, und dort saß ich an einem Tisch, und Madame Fontan brachte kaltes Bier aus dem Keller herauf. Ein Auto verließ die Hauptstraße und kam die Seitenstraße herauf und hielt neben dem Haus. Zwei Männer stiegen aus und kamen durchs Tor herein. Ich stellte die Flaschen unter den Tisch. Madame Fontan stand auf.
«Wo ist Sam?» fragte einer der Männer an der Fliegentür.
«Er ist nicht hier. Er ist im Bergwerk.»
«Haben Sie etwas Bier?»
«Nein. Haben kein Bier. Das ist die letzte Flasche. Alles alle.»
«Komm doch, wir gehen wohin, wo man anständiges Bier bekommt», sagte der eine von ihnen, und sie gingen zum Auto zurück. Der eine schwankte beim Gehen. Das Auto fuhr mit einem Ruck los, schleuderte auf der Straße und fuhr auf und davon.
«Stellen Sie das Bier auf den Tisch», sagte Madame Fontan. «Was ist los? Ja, alles in Ordnung. Was ist los? Trinken Sie doch nicht vom Boden.»
«Ich wußte nicht, wer’s war», sagte ich.
«Sie sind betrunken», sagte sie. «Das macht den Ärger nachher. Dann gehen sie woandershin und sagen, sie haben es hier bekommen. Vielleicht erinnern sie sich auch nicht einmal.» Sie sprach Französisch, aber es war nur gelegentlich Französisch, und zwischendurch benutzte sie viele englische Worte und hin und wieder auch eine englische Satzbildung.
«Wo ist Fontan?»
«Il fait de la, vendange. Ach, du lieber Gott, il est verrückt pour le vin».»
«Aber Sie mögen Bier?»
«Oui,j’aime la biere, mais Fontan, il est verrückt pour le vin.»
Sie war eine untersetzte alte Frau mit einer wunderbar gesunden Gesichtsfarbe und weißem Haar. Sie war sehr sauber, und das Haus war sehr sauber und ordentlich. Sie war aus Lens.
«Wo haben Sie gegessen?»
«Im Hotel.»
«Mangez ici. II ne faut pas manger a l’hötel ou au restaurant. Mangez ici.»
«Ich will Ihnen keine Mühe machen, und außerdem ißt man ganz gut im Hotel.»
«Ich esse niemals im Hotel. Es kann schon sein, daß man da ganz gut ißt. Ich habe nur einmal in meinem ganzen Leben in Amerika in einem Restaurant gegessen. Wissen Sie, was man mir gegeben hat? Man hat mir Schweinefleisch gegeben, das roh war.»
«Wirklich?»
«Ich lüge Ihnen doch nichts vor. Es war Schwein, das nicht gekocht war. Et mon fils est marie avec une americaine, et tout le temps il a mange les Bohnen
Weitere Kostenlose Bücher